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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Lippen, wie um etwas zu sagen. Ihr Körper
begann zu krampfen wie ein Motor, der stottert, ohne anzuspringen. Auf dem schwarzen Schirm hatte sich die Landschaft dramatisch verändert, eine plötzliche Skizze von Bergen und tiefen
Tälern.
Ich ging schnell zur Tür und öffnete sie. »Hallo? Kann jemand
kommen?«
Eine ältere Krankenschwester mit graublondem Haar und einer
Uhr an der Brusttasche, als würde sie unser aller Zeit stoppen,
kam, dicht gefolgt von der jungen Schülerin, herein. »Sind Sie
ein Verwandter?« fragte sie brüsk.
Sie ging direkt zum Bett, ohne eine Antwort abzuwarten.
Die junge Schülerin sah erschrocken von mir zu Marit Johansen. »Was ist denn passiert?«
»Ich weiß es nicht.«
Die ältere Frau unterbrach uns. »Linda! Hol den Arzt!« Dann
sah sie mich. »Wer sind Sie, sagten Sie?«
»Ein Bekannter. Veum ist mein Name.«
Etwas milder sagte sie: »Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen.«
Ich warf einen letzten Blick auf Marit Johansen. Sie wirkte
ruhiger, nachdem sie erneut die Augen geschlossen und mich
ausgesperrt hatte, diesmal wahrscheinlich für immer.
Auf dem Flur kamen mir der Arzt und die junge Schülerin
entgegen. Auch er war alles andere als alt, hatte glattes, helles
Haar und lebendige, blaue Augen. Keiner von ihnen blieb stehen, um meinen Puls zu messen.
Auch ich machte keine Anstalten stehenzubleiben. Ich hatte
hier nichts mehr zu tun. Die Erklärung für das, was herauszufinden ich hergekommen war, hatte ich bekommen.
Am selben Abend noch fuhr ich wieder über die Berge, nachdem ich ein paar Stunden mit Mari und Thomas verbracht hatte.
Ich benutzte die Rückfahrkarte, die Mons Vassenden mir gekauft hatte, und nahm den Nachtzug. Aber diesmal legte ich
einen entsprechenden Betrag drauf für einen Schlafwagenplatz,
allein. Als ich ins Abteil kam, begegnete ich mir selbst im Spiegel über dem Waschbecken. Es war kein erhebender Anblick.
Mein Gesicht war aschgrau und zeigte noch die Striemen von
Schlägen und Tritten, und die zwei Tage alten Kratzspuren die
Wange hinunter erinnerten an die kunstfertig ausgeführten Tränenstreifen eines mißglückten Zirkusclowns. Wenn ich auch
nicht mein Herz in Oslo verloren hatte, so doch wenigstens
Gesundheit und Haut.
Als ich am nächsten Morgen gegen halb acht auf der Straße
vor dem Hauptbahnhot in Bergen stand, hieß mich ein milder,
fast frühlingshafter Nieselregen willkommen. Ein feuchter
Schleier lag über den Dächern von Marken, und wenn ich nach
rechts schaute, weg vom Rathaus, lagen da die Fjellhänge, grün
und rundlich, aber auch sie unter einem matten herbstlichen
Schleier. Ich setzte den Koffer einen Augenblick ab, rieb mir die
Augen und atmete tief, tief ein.
Die beiden nächsten Tage verbrachte ich größtenteils unter der
Decke, in Gesellschaft von Karin Bjørge.
Am Samstag vormittag lag ein Umschlag in der Post, an mich
adressiert, c/o Karin Bjørge, und in meiner eigenen, leicht erkennbaren Handschrift beschriftet.
Sie sah mich verwundert an. »Was ist denn das, Varg?«
»Das ist meine Lebensversicherung. Leg sie in dein Bankschließfach. Wenn mir etwas zustoßen sollte, dann mußt du ihn
öffnen und mit dem Inhalt zur Polizei gehen.«
Sie betrachtete mich mit einem schiefen Lächeln.
Ein paar Tage nachdem ich nach Hause gekommen war, wurde
Mons Vassenden beigesetzt. Seine beiden Frauen waren in der
Kapelle anwesend. Sie saßen in der ersten Reihe, zusammen mit
vier Kindern, einer Schwiegertochter und einem Enkelkind. Ich
erkannte sie nach seiner Beschreibung wieder. Die Große mit
dem geraden Rücken mußte die Zahntechnikerin Cecilie sein.
Die Kleine, Nervöse hatte den Pfingstgemeindler in Flekkefjord
zurückgelassen.
Als ich die Kapelle verließ, sprach mich die Tochter aus erster
Ehe an. Sie war rotblond, rosa um die Augen und etwas zu fleckig im Gesicht, als hätte sie etwas länger, als es die dünne Haut
vertrug, im Solarium verbracht.
»Entschuldigung, aber wer bist du?«
»Veum heiße ich.«
»Kanntest du – Papa?«
»Nur flüchtig. Warum?«
Sie sah zur Seite. »Na ja, ich wollte nur … Wir hatten sowenig
Kontakt in der letzten Zeit … Ob du mir erzählen könntest, wie
er eigentlich war?«
»Wie er eigentlich war?« Ich sah mich um. Es war Wind
aufgekommen aus Südwesten, der die Blätter mit offener Hand
von den Bäumen schlug. Da fiel es mir ein. »Er war eine Art –
Herold des Herbstes.«
Sie sah mich fragend an. »He-Herold des Herbstes?«
»Einer, der ankündigte,

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