Begrabene Hunde schlafen nicht
durchschauen.
Sie gab Pedersen die Order, im Einsatzwagen zurückzufahren.
Sie selbst setzte sich hinter das Steuer des Zivilfahrzeugs. Beim
Starten nickte sie kurz. Dann gab sie ein Zeichen, daß der
Einsatzwagen vorfahren solle, und fuhr selbst so dicht hinterher,
daß sie alle Regeln des Abstands verletzte. Wahrscheinlich
würde sich jemand bereit erklären, auch ihre Strafzettel zu
bezahlen.
Zum Schluß waren nur noch der Taxifahrer und ich übrig.
Seine Stimme war jetzt deutlich dünner. »Es hat sich, äh,
erledigt.«
»Noch nicht. Wir fahren noch weiter.«
Er öffnete mir diensteifrig die Tür. »Zum Polizeirevier?«
»Nein, ich muß erst mit meinem Anwalt sprechen.« Ich gab
ihm die Adresse von Asbjørn Hellesøs Büro.
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Seine Sekretärin empfing mich mit derselben kühlen Eleganz
wie das letzte Mal, allerdings wies sie mich noch einen Deut
schärfer ab. »Hellesø hat jetzt keine Zeit für ein Gespräch! Er
bereitet sich auf eine Verhandlung um zwölf Uhr vor.«
Ich fing an, mich wie ein waschechter Chauvi zu fühlen; zum
zweitenmal im Laufe weniger Stunden drängte ich mich mit
körperlicher Gewalt an einer Frau vorbei, die versuchte, mich
draußen zu halten. Aber der Anblick von Marit Johansen, mit
gebrochenem Rückgrat vor dem Haus, in dem sie wohnte, hatte
sich mir eingebrannt. Das gab mir neue Kraft, und ich schob die
Sekretärin ruhig, aber bestimmt zur Seite und öffnete die Tür
zum Anwaltsbüro.
Sie schrie erregt auf, und aus den anderen Büros kamen weibliche Anwaltsgehilfen mit kurzgeschnittenem, schwarzem Haar
und schmalen, grün eingefaßten Brillen herbeigelaufen.
»Brauchst du Hilfe, Lillemor?«
»Wir rufen die Polizei!«
Aber ich hatte schon die Tür zu Asbjørn Hellesøs Zimmer
geöffnet. Er sah irritiert von seinem Schreibplatz vor dem PC
auf. Mir fiel plötzlich auf, daß er, sogar wenn er saß, ein großer
Mann war, mit ungewöhnlich langem Oberkörper. Vor Gericht
mußte ihm das einen unbewußten Vorteil verschaffen, weil er
immer auf sein Gegenüber herabsehen konnte. »Was ist denn
jetzt wieder?«
»Ich bin gekommen, um mit dir zu reden, Asbjørn. Über P. E.
Jansson, unter anderem. Deine Sekretärin schlug vor, wir sollten
die Polizei anrufen. Bist du einverstanden?«
Er sah an mir vorbei. »Warten Sie noch, Frau Bang.«
Er gab mir ein Zeichen, daß ich hereinkommen solle. Er selbst
kam, um die Tür hinter mir zu schließen, während er sagte:
»Dafür hab’ ich verdammt noch mal keine Zeit, Varg!«
»Das hast du beim letztenmal auch gesagt.«
Ich wartete, bis er hinter dem Schreibtisch Platz genommen
hatte, und setzte mich dann in einen der bequemen Ledersessel
auf der Kundenseite. Er behandelte seine Klienten gut, aber
allem Anschein nach mußten sie auch dafür bezahlen.
»Ich meine es ernst! Um zwölf Uhr muß ich im Gericht sein,
und ich bin noch nicht fertig mit dem …« Er wies auf den
Monitor, auf dem kleine Buchstaben vor einem blauen Hintergrund flimmerten.
»Dann mußt du halt improvisieren. Das solltest du doch gewohnt sein.«
Er sah mich wütend an. »Können wir zur Sache kommen?«
»Das können wir. Die ist nämlich ziemlich verwickelt, und es
wird seine Zeit dauern.«
»Ich hab’ doch gesagt, daß ich …«
»Jaja. Ich habe mit Finstad geredet.«
Er betrachtete mich wachsam. »Ja? Da hab’ ich dir doch
geholfen, oder?«
»Ja. Bin ich jetzt verpflichtet, mich zu revanchieren?«
»Hast du was aus ihm herausbekommen?«
»Worüber?«
Er erhob sich schwerfällig. »Zum letztenmal, Varg! Komm zur
Sache! Wenn nicht, dann machen wir es, wie Frau Bang gesagt
hat. Wir rufen die Polizei!«
»Setz dich, Asbjørn.«
Zu meiner Überraschung tat er, was ich sagte, ohne ein Wort
des Protests.
»Ich habe dir gegenüber ein Foto erwähnt beim letztenmal,
Asbjørn. Jetzt weiß ich, was dieses Foto bedeutet und warum
der Preis dafür so hoch war, daß es zwei, drei, vier, vielleicht
fünf Menschenleben kostete.«
»Fünf Menschenleben? Wovon redest du?«
»Von 1987 bis heute. Und was das Ganze ausgelöst hat, war
wiederum ein Mord. Er geschah in Stockholm am 28. Februar
1986. Kannst du folgen?«
»Ich kann folgen.« Seme Stimme klang verhältnismäßig unbeteiligt, aber ganz konnte er den scharrenden Unterton darin nicht
verbergen.
»Aber um auch diesen Mord zu erklären, muß ich noch weiter
in der Zeit zurückgehen.«
»Betrifft das mich?«
»Absolut!«
Er hob resigniert die Hände und machte ein Zeichen, daß ich
fortfahren
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