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Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Konradt
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emotional und in jeder Sekunde des Tages. Wen es trifft, der fragt sich: Warum ich? Warum ist mir das passiert? Es gibt keine Antworten auf diese Fragen. Die Ohnmacht des geschädigten Patienten ist groß, sie lähmt ihn und geht an seine Substanz, und er hat das Gefühl, sich in einen Kampf mit ungleichen Waffen zu begeben, an dessen Ende ein »Verloren!« für ihn steht.
    Ich möchte nicht behaupten, dass es ein gleicher, ein fairer Kampf ist. Er ist es nicht und wird es auch nie sein. Egal, was man versucht. Aber die Betroffenen können Hilfe bekommen, und ich werde aufzeigen, wie. Diese Hilfe ist unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten, die der Einzelne hat, und unabhängig von seiner sozialen Herkunft und Bildung. Sie kann jedem im Rahmen der Menschlichkeit zuteilwerden, und wenn das gelingt, wird die Welt am Ende ein bisschen schöner, ein bisschen gerechter.

    Als Nebeneffekt ist diese Hilfe auch noch als ein besonders befriedigendes Fehlermanagement einzuordnen. Man kann einem Kind zehnmal sagen, dass es den heißen Ofen nicht anfassen soll, weil es sich sonst die Finger verbrennt – aber erst, wenn es ihn doch angefasst hat und mit lautem Schreien zu den Eltern läuft, weiß es sicher, dass die Eltern mit ihrer Warnung recht hatten.
    Wenn Patienten versuchen aufzuklären, warum bei ihnen eine Behandlung misslungen ist, so muss sich der behandelnde Arzt mit dem Verlauf auseinandersetzen. Er wird erkennen, dass er es beim nächsten Mal besser machen kann und muss. Der nächste Patient wird geschützt. Das Kind fasst den heißen Ofen kein zweites Mal an.

    Aber es geht auch um den Arzt, der zuweilen Opfer wird – er wird von einem Patienten angezeigt, verklagt, soll haften – und oft ist das ungerechtfertigt. Kein Arzt steckt so etwas einfach weg, ohne Blessuren davonzutragen.
    Ich persönlich betrachte mich als ein Organ der Rechtspflege, als Kämpferin auf der Seite des Rechts, Ihres Rechts. Ich möchte mit diesem Buch zur Gerechtigkeit beitragen, zum gegenseitigen Verständnis; ich möchte zum Nachdenken anregen und die Wege aufzeigen, wie eine für alle Beteiligten sachgerechte Lösung herbeigeführt werden kann. Mein Ziel ist es, aufzuklären und Transparenz zu schaffen. Ich will, dass über Lösungsansätze nachgedacht wird. Dafür werde ich viele Anreize geben. Und ich wünsche mir, meine Faszination für dieses einzigartige Rechtsgebiet vermitteln und deutlich machen zu können, dass Hoffnung besteht. Hoffnung auf Gerechtigkeit.

    Dr. med. Britta Konradt
Berlin, Juni 2012

Ihr blieb die Stimme weg
Ein Verhandlungstag am Landgericht
    E s ist Freitag, der Parkplatz hinter dem Landgericht Berlin ist angenehm leer. Heute wird mein Auto hier niemand so zuparken, dass ich nicht mehr herauskomme. Ein schneller Blick auf die Uhr: Die Zeit reicht noch für ein Durchatmen im Sonnenschein. Ich mag diesen Moment, bevor die Verhandlung beginnt. Ich mag es, alles hinter mir zu lassen: Den Ärger darüber, dass meine Tochter gestern meine Stiefel, die ich so gern heute angezogen hätte, nicht vom Schuster geholt hat. Aber auch das Nachdenken über den Vortrag, den ich noch halten muss, und all die Akten auf dem Schreibtisch. Hier vor Gericht muss ich voll und ganz da sein, denn hier zählt der Augenblick, das, was jetzt verhandelt wird. Es ist spannend, man weiß nie, wie die Verhandlung enden wird. Heute stehe ich mit einem Fall vor Gericht, den ich nun schon seit Jahren begleite, und den wir heute mit ein bisschen Glück endlich abschließen können. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Denn auch wenn für mich die Lage inzwischen sehr klar ist, erleben wir in den Verhandlungen immer wieder überraschende Wendungen.

    Das Landgericht am Tegeler Weg in Berlin ist ein einschüchternder Bau. Es stammt noch aus der Kaiserzeit. Wer das Gebäude vom Parkplatz her durch den Hintereingang betritt, muss durch lange, mit grünem Linoleum ausgelegte Gänge.
Unter dem massigen Gewölbe hallt das Klacken meiner Absätze auf dem harten Boden. Ich gehe lieber durch den Haupteingang, dort sitzt Justizia auf einem Löwenthron. Ihre Augen sind verbunden, sie hält das Gesetzbuch auf den Knien. Das Gebäude stammt aus den Anfangstagen des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Es atmet den Geist jener Zeit, das Solide, Gewichtige. Die Architektur des Landgerichts ist, wie auch das Bürgerliche Gesetzbuch, geprägt durch den Wunsch, dass Bestand haben möge, was entschieden wird. Der Bau ist ein versteinerter Gegenpol zu dem, was hier

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