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Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Titel: Blumfeld, ein älterer Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Franz Kafka
    (03.07.1883 – 03.06.1924)
    1. Ausgabe, Juni 2005
    © eBOOK-Bibliothek 2005 für diese Ausgabe
    Blumfeld, ein älterer Junggeselle, stieg eines abends zu
    seiner Wohnung hinauf, was eine mühselige Arbeit war,
    denn er wohnte im sechsten Stock. Während des Hinauf-
    steigens dachte er, wie öfters in der letzten Zeit, daran, daß die-
    ses vollständig einsame Leben recht lästig sei, daß er jetzt diese
    sechs Stockwerke förmlich im Geheimen hinaufsteigen müsse,
    um oben in seinen leeren Zimmern anzukommen, dort wieder
    förmlich im Geheimen den Schlafrock anzuziehn, die Pfeife
    anzustecken, in der französischen Zeitschrift, die er schon seit
    Jahren abonniert hatte, ein wenig zu lesen, dazu an einem von
    ihm selbst bereiteten Kirschenschnaps zu nippen und schließlich
    nach einer halben Stunde zu Bett zu gehn, nicht ohne vorher das
    Bettzeug vollständig umordnen zu müssen, das die jeder Beleh-
    rung unzugängliche Bedienerin immer nach ihrer Laune hinwarf.
    Irgendein Begleiter, irgendein Zuschauer für diese Tätigkeiten
    wäre Blumfeld sehr willkommen gewesen. Er hatte schon über-
    legt, ob er sich nicht einen kleinen Hund anschaffen solle. Ein
    solches Tier ist lustig und vor allem dankbar und treu; ein Kolle-
    ge von Blumfeld hat einen solchen Hund, er schließt sich nieman-
    dem an, außer seinem Herrn, und hat er ihn ein paar Augenblicke
    nicht gesehn, empfängt er ihn gleich mit großem Bellen, womit
    er offenbar seine Freude darüber ausdrücken will, seinen Herrn,
    diesen außerordentlichen Wohltäter, wieder gefunden zu haben.
    Allerdings hat ein Hund auch Nachteile. Selbst wenn er noch
    so reinlich gehalten wird, verunreinigt er das Zimmer. Das ist
    gar nicht zu vermeiden, man kann ihn nicht jedesmal, ehe man
    ihn ins Zimmer hineinnimmt, in heißem Wasser baden, auch
    würde das seine Gesundheit nicht vertragen. Unreinlichkeit in
    seinem Zimmer aber verträgt wieder Blumfeld nicht, die Rein-
    heit seines Zimmers ist ihm etwas Unentbehrliches, mehrmals
    in der Woche hat er mit der in diesem Punkte leider nicht sehr
    peinlichen Bedienerin Streit. Da sie schwerhörig ist, zieht er sie
    gewöhnlich am Arm zu jenen Stellen des Zimmers, wo er an
    der Reinlichkeit etwas auszusetzen hat. Durch diese Strenge hat
    er es erreicht, daß die Ordnung im Zimmer annähernd seinen
    Wünschen entspricht. Mit der Einführung eines Hundes würde
    er aber geradezu den bisher so sorgfältig abgewehrten Schmutz
    freiwillig in sein Zimmer leiten. Flöhe, die ständigen Begleiter
    der Hunde, würden sich einstellen. Waren aber einmal Flöhe da,
    dann war auch der Augenblick nicht mehr fern, an dem Blumfeld
    sein behagliches Zimmer dem Hund überlassen und ein anderes
    Zimmer suchen würde. Unreinlichkeit war aber nur ein Nachteil
    der Hunde. Hunde werden auch krank, und Hundekrankheiten
    versteht doch eigentlich niemand. Dann hockt dieses Tier in ei-
    nem Winkel oder hinkt herum, winselt, hüstelt, würgt an irgen-
    deinem Schmerz, man umwickelt es mit einer Decke, pfeift ihm
    etwas vor, schiebt ihm Milch hin, kurz, pflegt es in der Hoffnung,
    daß es sich, wie es ja auch möglich ist, um ein vorübergehendes
    Leiden handelt, indessen aber kann es eine ernsthafte, widerli-
    che und ansteckende Krankheit sein. Und selbst wenn der Hund
    gesund bleibt, so wird er doch später einmal alt, man hat sich
    nicht entschließen können, das treue Tier rechtzeitig wegzuge-
    ben, und es kommt dann die Zeit, wo einen das eigene Alter aus
    den tränenden Hundeaugen anschaut. Dann muß man sich aber
    mit dem halbblinden, lungenschwachen, vor Fett fast unbeweg-
    lichen Tier quälen, und damit die Freuden, die der Hund früher
    gemacht hat, teuer bezahlen. So gern Blumfeld einen Hund jetzt
    hätte, so will er doch lieber noch dreißig Jahre allein die Treppe
    hinaufsteigen, statt später von einem solchen alten Hund belä-
    stigt zu werden, der, noch lauter seufzend als er selbst, sich ne-
    ben ihm von Stufe zu Stufe hinaufschleppt.
    So wird also Blumfeld doch allein bleiben, er hat nicht etwa
    die Gelüste einer alten Jungfer, die irgendein untergeordnetes le-
    bendiges Wesen in ihrer Nähe haben will, das sie beschützen darf,
    mit dem sie zärtlich sein kann, welches sie immerfort bedienen
    will, so daß ihr also zu diesem Zweck eine Katze, ein Kanarien-
    vogel oder selbst Goldfische genügen. Und kann es das nicht sein,
    so ist sie sogar mit Blumen vor dem Fenster zufrieden. Blumfeld
    dagegen will nur einen Begleiter

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