Beißen für Anfänger 1: Hexenzirkus (German Edition)
Stattdessen drückte sie mir ein Stück Papier in die Hand. »Das ist meine Adresse. Bitte schreib mir. Ich möchte gern deine Brieffreundin sein.«
»Das mache ich«, versprach ich. »Ich werde dir berichten, wie es Tesla so ergeht, okay?«
»Okay.« Ihre Augen füllten sich (wieder) mit Tränen, als sie erst Tesla, dann mich umarmte, sich über die Augen wischte und davonsprang.
Ich verbrachte die nächste Stunde damit, Tesla zu versorgen, anschließend aß ich schnell mit meiner Mutter, Peter, Soren und Imogen zu Abend, ehe ich in mein Zigeunergewand schlüpfte. Imogen sagte, dass ich in dem Ensemble aus Rock und Bluse sehr mysteriös aussähe und die Leute, die sich von mir aus der Hand lesen lassen wollten, mir eher glauben würden, wenn meine Optik mit meiner Rolle übereinstimmte.
»Das ist doch idiotisch«, grummelte ich, als ich das Buch über Handliniendeutung annahm, das sie mir aufdrängte. »Ich könnte sogar in Schlafanzug und Bademantel eine perfekte Lesung abhalten, solange ich die Leute nur berühre, aber niemand würde mir glauben, es sei denn ich sehe aus wie Esmeralda, die Zigeunerhexe?«
»Nicht wie Esmeralda«, widersprach Imogen und begutachtete mich mit schräg gelegtem Kopf, als ich mich ihr in meiner Zigeunerinnenaufmachung präsentierte. »Sondern wie Francesca, die Geheimnisumwitterte. Mit deinen schönen dunklen Haaren und Augen wirkst du sehr glaubwürdig. Die Kunden werden dich lieben.«
»Ja, bestimmt«, spottete ich, denn ich glaubte ihr kein Wort. Ich schaute zum Fenster. Die Sonne ging gerade unter, und der Himmel war mit den vertrauten pfirsichgelben, orangefarbenen und leuchtend roten Streifen bemalt. »Wann … äh … steht Ben eigentlich auf?«
Sie bedachte mich mit einem »Du magst meinen Bruder, hmm?«-Lächeln. »Wenn wir die Jalousien zuziehen, könnte er jetzt aus dem Schlafzimmer kommen. Soll ich nachsehen, ob er wach ist?«
»Nein«, wiegelte ich ab. »Ist nicht so wichtig. Vielleicht treffe ich ihn später.«
»Vergiss das Buch nicht!«
Ich verzog das Gesicht, nahm es jedoch an mich, winkte noch einmal und trollte mich. Meine Mutter wollte mich einigen ihrer Wicca-Freundinnen vorstellen, darum ließ ich mich kurz in unserem Wohnwagen blicken, wo alle versammelt waren, um sich vor dem Zirkel einen kleinen Imbiss zu genehmigen. Meine Mutter hielt etwa einmal im Monat einen Zirkel ab, meistens an unserem letzten Abend in einer Stadt, wenn sie wusste, dass jede Menge Hexen anwesend sein würden. Nur dann konnten sie einen Zirkel bilden, der auch etwas bewirkte.
Um die unter euch zu beruhigen, die gerade die Nerven verlieren – so wie bei allem auf dieser Welt, gibt es auch unter den Hexen Gut und Böse. Manche nennen sich Wicca, andere bezeichnen sich als Priesterinnen der Göttin. Grundsätzlich sind sie alle ein und dasselbe – Hexen eben. Meine Mutter praktiziert natürlich weiße Magie, auch Erdmagie genannt. Wenn sie und ihre Hexen- beziehungsweise Wicca-Kolleginnen zusammenkommen, halten sie Zirkel ab, um ihre Magie auszuüben. Eine Hexe allein kann in beschränktem Maß Zauber wirken, aber ein Zirkel … Ich will es mal so ausdrücken: Niemand, der etwas ausgefressen hat, sollte sich jemals mit einem Zirkel anlegen. Da war dieser Typ in Oregon, einer dieser religiösen Eiferer, die glauben, dass alle Hexen böse sind und ins Gefängnis gesteckt werden sollten (oder Schlimmeres), und der anfing, die Hexen in der Umgebung anzugreifen. Meine Mutter und ihre Clique bildeten fix einen Zirkel und gaben ihm Saures.
Meines Wissens läuft er noch immer rückwärts, und das sieben Monate später.
Also begrüßte ich freundlich lächelnd all die ungarischen Hexen, dann verzog ich mich, bevor sie anfangen konnten, mich zu segnen (die Clique meiner Mutter steht total auf Segnungen). Ich wollte gerade aus der Tür, als eine der Hexen – eine ältere Frau mit grauen Ringellöckchen, die mit riesigen, klobigen Schmuckstücken behängt war – plötzlich erstarrte und in die Luft schnüffelte wie ein Jagdhund, der einen Vogel wittert.
Sie zischte meiner Mutter etwas zu, doch die guckte verständnislos drein, bis ihre Freundin Zizi, die eigens aus Deutschland angereist war, für sie übersetzte. »Sie sagt, sie riecht etwas Fauliges.«
»Das muss Davide sein. Er bekommt Blähungen, wenn er zu viel Fisch frisst«, erklärte ich.
Davide schoss mir einen Blick zu, der einen normalen Menschen getötet hätte.
Alle anderen ignorierten meinen kleinen Witz. Die
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