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Die Luna-Chroniken: Die Armee der Königin (German Edition)

Die Luna-Chroniken: Die Armee der Königin (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken: Die Armee der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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Sie kamen am Ende der langen Nacht. Seit zwei Wochen war kein Sonnenstrahl ins Kuppelgewölbe der Manufaktur gefallen. Vor einigen Monaten war Z zwölf geworden, und mittlerweile lag sein Geburtstag so lange zurück, dass er nicht mehr auf jedem schwarzen Mantel goldene Runen sah. Er begann zu hoffen, sie würden ihn vielleicht doch nicht auswählen.
    Dennoch war er nicht überrascht, als ihn ein Klopfen an der Haustür weckte. Es war sehr früh und sein Vater war noch nicht in die Fabrik gegangen, wo er Motoren für Beischiffe und Traktoren montierte. Z starrte an die Decke und hörte durch die dünne Wand, wie seine Eltern nebenan flüsterten. Dann die Schritte seines Vaters im Flur.
    Gedämpfte Stimmen im Wohnzimmer.
    Z ballte die Fäuste und öffnete sie wieder. Das half ihm gegen die Angst, wenn er es auch dreimal wiederholen musste, um nicht zu hyperventilieren. Sein Bruder sollte weiterschlafen und sich seinetwegen keine Sorgen machen.
    Er hatte ja gewusst, dass es unvermeidlich war.
    Er war der Beste in seiner Klasse und schon jetzt stärker als einige Kollegen seines Vaters. Wie hätten ihn seine Lehrer da übersehen sollen? Warum sollte ihm das für ihn bestimmte Schicksal erspart bleiben?
    Von früh an hatte man ihn darauf vorbereitet, in seinem dreizehnten Lebensjahr mit dem Besuch von königlichen Thaumaturgen zu rechnen, die ihn für die neue Armee rekrutieren würden, sollte er für würdig befunden werden. Es bedeutete eine große Ehre, der Krone zu dienen. Seine Familie und sein Sektor wären stolz auf ihn.
    »Zieh dich lieber an.«
    Z hob den Kopf. Die Augen seines Bruders leuchteten in der Dunkelheit. Also schlief er doch nicht.
    »Du willst sie doch nicht warten lassen.«
    Z schwang sich aus dem Bett, schließlich sollte sein Bruder ihn nicht für ängstlich halten.
    Im Flur traf er auf seine Mutter, der das kurz geschnittene Haar unordentlich vom Kopf abstand. Ihr Kleid klebte statisch aufgeladen am Oberschenkel. Als er ihr in die Augen sah, erkannte er für den Bruchteil einer Sekunde die bodenlose Verzweiflung, die sie immer verborgen hatte, wenn sie über die Zwangsrekrutierung von Soldaten gesprochen hatten. Aber sie hatte sich sofort wieder im Griff und versuchte krampfhaft, Zs wirre Haare mit Spucke zu glätten. Er ließ es stoisch über sich ergehen.
    »Ze’ev.« In der belegten Stimme seines Vaters klang ein Gefühl an, das Z nicht deuten konnte. »Hab keine Angst.«
    An der Hand seines Vaters betrat er das Wohnzimmer, wo ihn nicht ein, sondern gleich zwei Thaumaturgen erwarteten. Sie trugen die traditionelle Uniform königlicher Beamten – hochgeschlossene, knielange Mäntel mit glockenförmigen, goldbestickten Ärmeln. Während die Frau in Schwarz gekleidet war – eine Thaumaturgin der Dritten Ordnung –, trug der Mann die rote Uniform der Zweiten Ordnung. Auf ganz Luna gab es wohl nicht mehr als ein Dutzend Thaumaturgen der Zweiten Ordnung. Einer von ihnen saß jetzt hier auf der Couch.
    Z sah sein Zuhause auf einmal mit den Augen dieser hohen Beamten. Das Wohnzimmer war gerade groß genug für ein durchgesessenes Sofa und einen Schaukelstuhl. Auf dem Beistelltisch verstaubten Papierblumen in einer Vase. Sollten die Thaumaturgen sich die Mühe machen, einen Blick durch die offene Küchentür zu werfen, könnten sie das fliegenumsurrte Geschirr im Spülbecken sehen. Seine Mutter war gestern Abend zu müde für den Abwasch gewesen, und Ran und Z hatten mit anderen Kindern aus dem Sektor Fußball gespielt, statt im Haushalt mitzuhelfen. Jetzt tat ihm das leid.
    »Ze’ev Kesley?«, sagte der Thaumaturg der Zweiten Ordnung.
    Er nickte, klammerte sich an die Hand seines Vaters und bot seine ganze Willenskraft auf, um sich nicht hinter ihm zu verstecken.
    »Ich habe dir die erfreuliche Mitteilung zu machen, dass wir dich aufgrund deiner Eignungstests körperlich modifizieren werden. Dann bist du bereit für die Grundausbildung in der Königlichen Armee. Du bist mit sofortiger Wirkung rekrutiert. Packen erübrigt sich – du bekommst von uns alles, was du brauchst. Da du keinen Kontakt mehr mit deiner Familie haben wirst, verabschiede dich bitte jetzt.«
    Hinter ihm schniefte seine Mutter. Z hatte nicht gemerkt, dass er zitterte, bis sein Vater ihn bei den Schultern nahm.
    »Hab keine Angst«, sagte der noch einmal und lächelte gezwungen. »Tu, was man von dir verlangt, und mach uns keine Schande. Dass du ausgewählt wurdest, ist eine große Ehre.«
    Seine Stimme klang gepresst.

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