Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
Garderobe in die Tasche seines Wintermantels gleiten.
»Damit er nicht …«
»… wegkommt«, vervollständige ich seinen Satz, während Marcel sein schrillendes Handy aus der Tasche fischt. »Das Geld steht uns zu!«, übertöne ich den immer noch gleichen überlauten Klingelton, der mich schon früher so genervt hat.
Marcel schreit auch. Ins Telefon.
»Ja! Ich verstehe euch. Was? Schon wieder? Das ist ja schrecklich! Keine Sorge, ich habe hier alles unter Kontrolle. Natürlich leiste ich Amtshilfe. Der Tatort ist schon abgesichert.«
Ganz toll abgesichert: Die Tischdecke habe ich über die Leiche gelegt. Wahrscheinlich wird er gleich belgisches Absperrband aus dem Auto holen. Geht die Amtshilfe so weit, dass er das in Deutschland aufspannen darf? Und wie lange wird es mein Restaurant verunstalten? Wann wird die Leiche abtransportiert? Wird er sich jetzt etwa um all das kümmern, was die deutsche Polizei tun sollte?
»Was ist denn so Schreckliches passiert?«, will ich wissen.
»Verkehrsunfall auf der Autobahnabfahrt in Blankenheim. Ein osteuropäischer Schwertransporter ist umgekippt und mehrere Autos sind da reingefahren. Jetzt sind dort alle verfügbaren Einsatzkräfte gefragt. Wird also noch was dauern, bis die Kollegen aus Euskirchen zur Einkehr kommen können.«
Gudrun stellt ihm eine zweite Tasse Kaffee hin.
»Richtig so. Hier ist ja schon Schlimmes passiert, und da kann die Polizei noch Schlimmeres verhindern.«
»Genau so ist es.« Marcel schenkt Gudrun einen freundlichen Blick. »Du denkst mit. Und passt auf. Du hast also gesehen, dass die Frau die Bundesstraße verlassen hat und nach rechts Richtung Krewinkel gefahren ist?«
Gudrun zögert.
»Ich habe nicht deutlich sehen können, ob sie da wirklich abgebogen ist, aber ihr Blinker war an.«
»Die Plaquennummer hast du nicht lesen können?«
»Nein, dafür war sie zu flott unterwegs.«
Marcel hebt eine Augenbraue.
»Bei den Straßenverhältnissen?«
»War frisch geräumt. So was Blödes. Der Schneepflug kommt immer dann, wenn man ihn nicht braucht! Bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es war eine rote belgische Nummer.«
Da es zur Täterin nichts mehr zu sagen gibt und ihn die Euskirchener Kollegen um Amtshilfe gebeten haben, kümmert sich Marcel jetzt um das Opfer. Außer einem Ein-Euro-Stück und einem Kamm fördert er aus den Taschen der Skihose nichts hervor.
Ich deute zur Garderobe. »Da hängt noch seine Jacke. Vielleicht ist da ein Ausweis drin.«
Marcel springt auf.
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
»Hast du etwa geglaubt, der Mann ist bei diesem Wetter ohne Jacke hergekommen?«
»Ich dachte, es ist deine Jacke. Du hast doch genauso ein Ding.«
Er hat recht. Eine ähnlich unförmige schlammfarbene Jacke hängt über dem Stuhl in der Küche. Wie bizarr, dass mich, die frühere Moderedakteurin, ausgerechnet ein so unelegantes Kleidungsstück mit dem toten Mann auf dem Boden verbindet.
Marcel durchsucht mit geübtem Griff die Jackentaschen. Er kehrt mit einer einstmals edlen, inzwischen aber ziemlich abgegriffenen schwarzen Lederbrieftasche an den Tisch zurück, setzt sich, zieht einen Ausweis hervor und springt sofort wieder auf.
»No di pipp!«
»Was ist los?«, frage ich gespannt.
Er strahlt.
»Womit ein Fall geklärt ist.«
»Der Fall ist schon geklärt?«, frage ich verwirrt. »So schnell geht das?«
»Nicht dieser. Ein anderer. Ein Vermisstenfall, den wir zu den Akten gelegt haben. Jean-Marie Lambert. Der ist vor fünf Jahren plötzlich verschwunden.«
»Ein Belgier?«
Marcel nickt.
»Und wer war er?«
Der belgische Polizeiinspektor schweigt einen Moment und zupft an seiner Soutane herum.
»Früher hatte ich bei dir zu Hause immer was für umzuziehen«, murmelt er.
»Früher warst du ja auch öfter hier.«
»Weil ich mich willkommen fühlte. Das hat sich allerdings deutlich geändert.«
»Dann geh doch, wenn es dir hier zu ungemütlich ist.«
»Bitte nicht streiten!«, fleht Gudrun. »Und bleib, Marcel. Es ist hier doch nie gemütlich, wenn jemand ermordet wird. Der arme Mann.«
Betroffen nicken wir alle zum Tischtuch hin.
»Sag schon, Marcel, wer war er?«, frage ich. »Vielleicht der Vater der Täterin?«
Der belgische Polizeiinspektor befingert immer noch seine Soutane.
»Eher nicht«, antwortet er. »Wäre bei seinem Beruf nicht sehr opportun gewesen.«
»Was für ein Beruf?«, frage ich verständnislos.
Gudrun begreift schneller.
»Ein Priester!«, ruft sie entgeistert. Sie
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