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Bel Ami (German Edition)

Bel Ami (German Edition)

Titel: Bel Ami (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy de Maupassant
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Gleichberechtigter auftreten konnte, und vor allen Dingen, daß er keine näheren, intimen Beziehungen zu Damen hatte, obgleich ihn mehrere bekannte Schauspielerinnen mit auffallender Liebenswürdigkeit empfangen hatten.
    Er wußte übrigens aus Erfahrung, daß alle Frauen, ob sie nun den guten oder schlechten Gesellschaftskreisen angehörten, eine merkwürdige Zuneigung und eine spontane Sympathie für ihn verspürten. Die Tatsache jedoch, daß er gerade diese Wesen, von denen doch seine Zukunft abhängen konnte, nicht kannte, machte ihn ungeduldig und nervös wie ein Rennpferd, dem man nicht freie Bahn gibt.
    Oft genug hatte er daran gedacht, Frau Forestier zu besuchen, doch die Erinnerung an die letzte Begegnung demütigte ihn und hielt ihn davon zurück, und außerdem erwartete er, daß ihn der Mann einladen würde. Dann fiel ihm wieder Madame de Marelle ein; sie hatte ihn ja gebeten, er möchte sie doch mal besuchen. So ging er eines Nachmittags, an dem er nichts anderes zu tun hatte, zu ihr hin.
    »Ich bin bis drei Uhr immer zu Hause«, hatte sie gesagt.
    Um halb drei klingelte er an der Tür.
    Sie wohnte Rue de Verneuil, im vierten Stock. Auf das Klingelzeichen öffnete ein Dienstmädchen mit zerzaustem Haar die Tür; sie setzte ihre kleine Haube zurecht und antwortete:
    »Ja, die gnädige Frau ist zu Hause, aber ich weiß nicht, ob sie auf ist.«
    Sie öffnete die Salontür, die nicht verschlossen war. Duroy trat ein. Das Zimmer war ziemlich groß, aber nicht reich möbliert und sah etwas verwahrlost aus. Die alten abgenutzten Sessel standen an der Wand entlang, so wie sie das Dienstmädchen hatte stehen lassen, nirgends spürte man die sorgsame Hand der eleganten Hausfrau, die sich ihr Heim gemütlich zu gestalten liebt. Vier armselige Bilder, die einen Kahn auf dem Flusse, ein Schiff auf dem Meere, eine Mühle in einer Ebene, einen Holzhauer im Walde darstellten, hingen in der Mitte der vier Wände an Stricken verschiedener Länge, und alle vier hingen schief. Man erriet, daß sie wahrscheinlich schon lange so schief hingen unter den nachlässigen Augen der gleichgültigen Besitzerin.
    Duroy setzte sich und wartete. Er wartete lange. Endlich öffnete sich die Tür und Madame de Marelle trat eilig herein. Sie trug ein japanisches Morgenkleid aus rosa Seide, das mit goldenen Landschaften, blauen Blumen und weißen Vögeln bestickt war.
    »Denken Sie, ich war noch im Bett«, rief sie aus. »Das ist aber nett, daß Sie sich auch mal bei mir sehen lassen. Ich dachte bestimmt, Sie hätten mich vergessen.«
    Mit strahlendem Gesicht streckte sie ihm beide Hände entgegen, und Duroy, dem die verwahrloste Einrichtung des Zimmers seine volle Sicherheit wiedergab, ergriff sie und küßte die eine Hand, wie er es einmal von Norbert de Varenne gesehen hatte.
    Sie bat ihn, Platz zu nehmen. Dann musterte sie ihn vom Kopf bis zu den Füßen und sagte: »Sie haben sich sehr zu Ihrem Vorteil verändert. Paris hat Ihnen gut getan. Erzählen Sie mir, was gibt es Neues?«
    Damit begannen sie zu plaudern, als ob sie alte Bekannte wären. Und sie fühlten, wie zwischen ihnen eine unmittelbare Vertraulichkeit entstand, ein Überströmen von Zuneigung, Herzlichkeit und gegenseitigem Verständnis, das in wenigen Minuten zwei Wesen von gleicher Art und Charakter zu Freunden macht. Plötzlich stockte die junge Frau und rief ganz erstaunt:
    »Es ist merkwürdig, wie wir übereinstimmen. Mir ist's, als kenne ich Sie seit zehn Jahren. Wir werden sicherlich gute Freunde werden. Wollen Sie?«
    »Aber natürlich«, erwiderte er mit vielsagendem Lächeln.
    Er fand sie höchst verführerisch in ihrem weichen, leuchtenden Gewand, vielleicht weniger zärtlich und fein als Frau Forestier in ihrem weißen Morgenkleid, weniger zierlich und graziös, dafür aber entzückender und aufreizender.
    Bei Madame Forestier mit ihrem unveränderlichen, zärtlichen Lächeln, das gleichzeitig anzog und abstieß, das zu sagen schien »Du gefällst mir« und auch »Nimm dich in acht«, und dessen wirklichen Sinn er nie erraten konnte, empfand er in erster Linie das Bedürfnis, sich ihr zu Füßen zu legen oder die zierlichen Spitzen zu küssen, die ihre zarte Haut bedeckten, und langsam den warmen, parfümierten Duft einzuatmen, der von ihrer Brust strömte. Bei Madame de Marelle empfand er ein etwas brutaleres und bestimmteres Verlangen, eine Begierde, die seine Finger zucken ließ, wenn er die runden Formen ihres Körpers unter der leichten Seide sah.
    Sie

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