BELLAGIO -- Roman (German Edition)
Das wissen wir beide. Papa hat mir das immer prophezeit, dass du ein Loser bist. Und jetzt hat er schließlich Recht behalten.“
Sie konnte mittlerweile sehr gut deutsch, aber ihr charmanter französischer Akzent verriet immer noch, dass sie eigentlich Französin war. Bei dem allerdings, was sie gerade sagte, wirkte gar nichts charmant. Camille war im Grunde eine kalte und verwöhnte Frau. Er war damals von ihrer Schönheit und ihrer Klasse so geblendet gewesen, dass ihm das nie aufgefallen war. Ihre Verwöhntheit fand er süß und dass sie immer ihren Willen haben musste... so süß, dass er seine damalige Verlobte darüber völlig vergessen hatte, sie einfach verlassen hatte, von jetzt auf gleich. Ja, so war das eben bei schönen Frauen, die jeden Mann haben konnten, weil sie nicht nur schön, sondern auch reich waren. Ihrem Vater gehörte eines der größten französischen Unternehmen, das aus einem Konglomerat von Luxusfirmen, Zeitungen und High-Tech-Unternehmen bestand. Und Camille war die Kronprinzessin.
Camille Saroux – diesen Namen kannte in Frankreich jeder. Sie war die französische Paris Hilton gewesen, so lange bis sie geheiratet hatte – einen Deutschen. Alle Welt hatte sich damals gefragt, warum ausgerechnet Alexander Schönauer und nicht einen reichen Kronprinzen aus ihren eigenen Kreisen. Alex war damals gerade dabei, sich selbst ein Unternehmen aufzubauen. Er kam aus kleinen Verhältnissen. Seine Eltern arbeiteten beide bei der Telekom im Innendienst. Brave Leute. Mit Reihenhäuschen in der Vorstadt und einem Schrebergarten außerhalb der Stadt. Deswegen hatte er sich auf Finanzwissenschaften spezialisiert. Er wollte raus aus der Vorstadtenge. Geld machen. Machen können, was er wollte, weil er reich genug war. Keine Grenzen mehr. Zuerst stieg er auf der Karriereleiter steil nach oben. Dann gründete er einen kleinen Fonds, der dank seiner Expertise und einer unschlagbaren, immer wieder aktualisierten Spezialsoftware eine hervorragende Performance aufwies. Sein Freund Stefan, der Computerfreak, hatte ihm damals die kleine Softwarefirma vermittelt, die sich auf datenbasierte Börsenprognosen spezialisiert hatte und dringend ein Pilotprojekt gesucht hatte. Das hatte er ihnen gegeben. Und der Erfolg begann, die Software war ein Hit. Deswegen kamen dann immer mehr Kapitalanleger aller Art, kleine und große, professionelle und weniger professionelle, und sein Fonds wuchs und wuchs. Dann gründete er den Hedgefonds dazu, auch hier hatte er eine mehr als glückliche Hand bewiesen. Er wurde als Shootingstar der Finanzszene gefeiert, alles, was Rang und Namen hatte, kam zu ihm, um Geld anzulegen.
So auch Albert Saroux damals, seine schöne Tochter im Schlepptau, in die sich Alex Hals über Kopf verliebte. Deswegen hatte er sich bei diesem Gespräch so unaufmerksam verhalten, dass Albert den Eindruck bekommen hatte, Alex sei ein wenig meschugge und wisse nicht, was er rede. Daraufhin hatte er davon abgesehen, bei ihm Geld anzulegen. Und seiner Tochter geraten, sich von diesem Loser fernzuhalten.
Doch Camille fand Alex süß. Süß und männlich. Sie hatte sich auch verliebt. Damals fing alles an. Überstürzt. Leidenschaftlich. Ohne nachzudenken. Nach sechs Monaten war Camille schwanger. Und sie heirateten. Ohne sich wirklich zu kennen.
Und jetzt verließ sie ihn, um zu ihrem Papa zurückzukehren. Geld war eben doch dicker als Liebe – oder was sie dafür gehalten hatten.
X X X
Als Ela die Haustür ihres kleinen Reihenhäuschens aufschloss, wusste sie sofort, dass Chris noch wach war. Es brachte sie auf die Palme, dass er nicht, wie vereinbart, unter der Woche um zehn Uhr ins Bett ging. Er hielt sich an nichts mehr. Er machte einen Narren aus ihr. Manchmal hatte sie Lust, ihn zu schütteln. Solange, bis er endlich die ohnehin wenigen Regeln, die sie als Mutter aufgestellt hatte, einhielt. Ela zog ihre Jacke aus und warf sie achtlos auf die Garderobe.
Chris saß auf dem Sofa im Wohnzimmer. PSP in der Hand, Fernseher an. Sie hasste das, Doppel- oder Dreifachmedien, alles gleichzeitig, und nichts gescheit. Das lief auf Konzentrationsmangel und verwirrte Aggressivität hinaus. Sie beneidete die Lehrer nicht, die mit diesen Kids dann arbeiten mussten.
Innerlich auf 180, äußerlich aber ruhig, ging Ela zum Fernseher und schaltete ihn aus.
„Du sollst um zehn Uhr im Bett sein, das weißt du. Jetzt ist es nach zwölf. Dann ist morgen der PC gestrichen. Geh jetzt ins
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