Kodezeichen Großer Bär
1.
Niemals hatte ich ihn so gesehen: General John F. Mouser, dieser Koloß von einem Mann, machte einen reichlich hilflosen Eindruck. Sein weißes Haar kontrastierte auffällig mit dem Bronzeton seines Gesichtes. Es war ein Gegensatz, wie Mouser überhaupt ein Mann der Gegensätzlichkeiten war.
Er, der immer im Hintergrund verweilende Theoretiker ohne praktische Einsatzerfahrung, war fraglos ein wesentlicher Bestandteil der GWA-Maschinerie.
Ich stand ihm in respektvoller Haltung gegenüber. Vor acht Minuten war ich auf dem Dach des Hauptbunkers gelandet. Passive Kollegen hatten mich in einem solchen Eiltempo nach unten geleitet, daß mir keine Zeit zu Fragen blieb. Anschließend hatte ich das geräumige, hermetisch von der Außenwelt abgeriegelte Arbeitszimmer des Chefs betreten, aber Vier-Sterne-General Arnold G. Reling war nicht anwesend.
Zu meiner Überraschung hatte sich Mouser hinter dem Arbeits- und Schalttisch erhoben und mich begrüßt.
Die Eröffnung, daß Reling, Chef der Geheimen-Wissenschaftlichen-Abwehr und Generalsekretär der Internationalen-Abwehr-Koalition, einfach verschwunden sei, hatte mich völlig unvorbereitet getroffen.
Dann war ich mit den Tatsachen konfrontiert worden. Der Chef war verschollen und unser bester Spezialbeamter beinahe erschossen worden. Drei-Sterne-General Mouser hatte den Befehl über das gigantische, hunderttausendfach verästelte Organ der GWA übernommen.
Er verfügte wie der Chef über alle Kodeschlüssel und Spezialschaltungen zur Beherrschung des gewaltigsten Robotgehirns der Erde. Es war in weiser Voraussicht dafür gesorgt worden, daß bei einem eventuellen Ausfall Relings einige Leute in der Lage waren, den Riesenapparat funktionsfähig zu halten.
Nun war der Fall eingetreten, an den alle Angehörigen der Abwehr seit Jahren mehr oder weniger nervös dachten: Wenn der »Alte« einmal ausfallen sollte, war der Teufel los!
Aber Klagen war sinnlos. Außerdem gewann ich den Eindruck, daß Mouser das Ruder doch überraschend fest in der Hand hatte.
Die Befehle jagten sich. Das Kommen und Gehen höchster Offiziere, Wissenschaftler und Techniker nahm kein Ende.
Mousers Anweisungen kamen präzise und unmißverständlich. Noch beherrschte er die Lage.
Ich stand abwartend im Hintergrund des großen, fensterlosen Raumes. Wozu war ich nun derart überhastet ins Hauptquartier befohlen worden? Wenn ich zwei Stunden später angekommen wäre, hätte es auch noch gereicht. Ich erfuhr aber sofort, daß ich in verkehrten Bahnen gedacht hatte.
»Haben Sie bereits Sergeant Manzo gesprochen?« rief mir Mouser zu.
Ich verneinte.
Wieder handelte der General sehr schnell.
Ein Soldat der Wache trat zu mir.
»Bringen Sie Oberstleutnant HC-9 zu Sergeant Manzo, danke!«
An mich gewendet, fuhr er leiser fort:
»Konnat, ich kenne Ihren Namen seit langem. Wundern Sie sich also über nichts. Sind Sie darüber informiert, daß Sie von General Reling persönlich zum Chef ›Großer Bär‹ ernannt worden sind? Ich habe es durch die aktivierte Katastrophenschaltung des Robotgehirns erfahren. Ahnen Sie, was Ihnen damit aufgebürdet wird? Sie haben diesen Fall selbständig zu bearbeiten. Die gesamte GWA mit all ihren ungeheuren Hilfsmitteln steht Ihnen zur Verfügung. Nicht ich, sondern Sie sind der Mann ›Großer Bär‹! Ich habe nur die internen Dinge zu erledigen. Sehen Sie sich nun um. Sie haben keine Sekunde zu verlieren!«
General Mouser wandte sich sofort wieder seinen dienstlichen Obliegenheiten zu. Natürlich war er nach wie vor Kommandeur und mein derzeit höchster Vorgesetzter.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher