Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
vor denen ich referiere und mit denen ich diskutiere. Der entscheidendste Anstoà dabei kam von Herbert Henzler, der mir vor unserem Aufstieg auf den Chimborasso (Ventimiglia-Gipfel, 6270 m) in Ecuador half, ein klares Konzept zu erstellen. Dafür gilt ihm mein Dank.
Inwieweit meine Erfahrungen als Grenzgänger auf das Management übertragbar sind, hängt zuletzt wohl von der Fähigkeit des Lesers ab, wenigstens im Geiste in mein Tun einzusteigen. Deshalb habe ich jedes Thema mit einem praktischen Beispiel ergänzt. Berge sind so elementar in ihrer Erscheinungsform, dass es mir selbstverständlich erscheint, auf sie hinaufzusteigen. Mit der Frage nach dem Warum schon beginnt das Scheitern.
Da sich meine Arbeitsmethode â aus einer Idee wird eine Realutopie, die sich mit guten Partnern umsetzen lässt â auch beim Aufbau einer fünfteiligen Museumsstruktur bewährt hat, stelle ich sie zur Disposition. Trotzdem dürfen meine Grundaussagen nicht als die »zwölf Gebote zum Erfolg« verstanden werden. Sie sind das Credo eines Grenzgängers, der durch Versuch und Irrtum zu seinen Erfahrungen gekommen ist. Und nur diese lege ich hier vor. Trotz ihrer (oft scheinbaren) Widersprüchlichkeit, trotz ihrer Brüchigkeit, trotz ihrer Banalität.
Meine »Weisheit« unterliegt einem Lernprozess, der andauert, solange ich lebe. Also habe ich nichts Endgültiges zu sagen. Weil wir aber in dieser Welt nicht so bleiben dürfen, wie wir sind, stelle ich meine Erkenntnisse zur Diskussion. Und weil ich meine Erfahrungen immer wieder gemacht habe, erzähle ich sie immer wieder. Sie lassen sich nicht in Kästchen stecken, auf Kapitel verteilen. So wie die Welt ein Ganzes ist, sind Erfahrungen nicht zerlegbar.
Wenn ich trotzdem einer zwölfteiligen Themenstruktur folgte, ist dies nur ein Widerspruch mehr. Er zwingt mich zu Wiederholungen, die nicht beabsichtigt sind. Sie sind die Folge dieser Arbeitsweise und vielleicht hilfreich, wenn wir um eine lebenswerte Welt bemüht sind.
Reinhold Messner
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Symbol Berg â der Fujiyama nach einer Zeichnung von Katsushika Hokusai.
»Die Kunst des Gehens liegt im richtigen Weg.«
Wege zum Erfolg
M ein Tun ist a priori nicht notwendig. Es ist möglich. Trotzdem bin ich überzeugt von meinem Tun. Das Leben besteht in erster Linie darin, uns auszudrücken, unsere Fähigkeiten auszunutzen, unser Menschsein zu erfahren.
Unsere Schöpferkraft auszuschöpfen ist die Möglichkeit schlechthin. Alles, was wir in die Welt hineinlegen â Sinn, Werte, Lebensfreude â, macht uns aus. Die wichtigste menschliche Fähigkeit ist Sinnstiften. Nicht weil ich besonders stark, ausdauernd, kühn wäre, bin ich erfolgreich. Ich mache mir mein Tun zuerst sinnvoll. Dabei bin ich weniger durch meine Erfolge der geworden, der ich heute bin, als vielmehr durch mein häufiges Scheitern. Und wenn ich noch lebe, verdanke ich dies zu einem Teil dem Glück. Ich bin nicht vollkommen. Ich habe immer wieder Fehler gemacht. Ich bin ein Mensch.
Und nur weil ich menschlich bin, können meine Erfolge, die ich neben den Misserfolgen als Erfahrungsgrundlage habe, von Interesse sein. Auch für andere. Wäre ich physisch oder psychisch stärker, ausdauernder, leidensfähiger als andere, wäre das, was ich weiÃ, nicht anwendbar für sie. Ich bin nicht das, was man in der griechischen Mythologie einen Helden genannt hat. Ein solcher wäre abgehoben von den übrigen Menschen, nicht verwundbar, nicht vergleichbar und damit uninteressant.
Ich will in diesem Buch nicht erzählen, warum ich auf Berge steige. Auch nicht, wie ich zum Halbnomaden wurde zwischen den groÃen Gebirgen und den Eiswüsten. Wie ich es getan habe, ist mein Thema, und wie ich es weiterhin tun will. Nicht technisches Können, die Ansprüche an mich selbst sind entscheidend. Ich möchte das Wie hinter sensationellen Verpackungen verständlich machen: Wie gehe ich einen Berg an? Wie nähere ich mich einer groÃen Wüste? Wie verhalte ich mich mir selbst, der Natur, meinen Partnern gegenüber? Wie man klettert, wie man sich sichert, gehört zum Handwerk, aber niemals zum Erfolgsgeheimnis.
Ich möchte nicht behaupten, dass nur ich kann, was alle anderen noch nicht getan haben. Ich unterstelle sogar, dass die meisten Menschen â Erfahrung vorausgesetzt, mit entsprechendem Training, im richtigen Alter â auf den Mount
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