Herz auf Umwegen
1. Kapitel
Katja fühlte, wie ihr Herz raste. Vier Monate waren ihre Gedanken um diesen einen Moment gekreist. Den Moment, da sie Grit küssen würde. Endlich war es so weit. Hier im Park, an einem lauwarmen Sonntagabend im Juni, auf dem Heimweg vom Kino. Ein romantischer Liebesfilm hatte für die perfekte Stimmung gesorgt und war von Katja ebenso bewusst ausgesucht worden wie der Baum, an dem sie jetzt lehnte. Tags zuvor hatte Katja diese Eiche sorgfältig ausgewählt, sogar ausprobiert. Sie wollte nichts dem Zufall überlassen. Wie schnell konnte sie im Dunkeln ein Astende übersehen, welches ihr kontraromantisch unangenehm in den Rücken stechen und den lang ersehnten Moment verderben würde.
Katjas Hände lagen in Grits weichem Nacken, ihr Blick versank in ihren tiefblauen Augen. Sie zog das geliebte Gesicht langsam zu sich. Eine Strähne von Grits langen, blonden Haaren rutschte über ihre Schulter nach vorne und kitzelte Katjas Wange. Warme Lippen legten sich auf ihren Mund und nahmen ihn in Besitz. Sie spürte Grits Zungenspitze an ihrer. Ein aufregendes Spiel begann – und brach nach einem viel zu kurzen Augenblick jäh ab.
»Tut mir leid Katja, aber da kribbelt nichts in meinem Bauch«, sagte Grit bedauernd.
In ihrem Kopf hörte Katja dieses grässlich quietschende Geräusch, welches die Nadel eines Plattenspielers erzeugte, wenn sie quer über die Rillen einer Schallplatte rutschte.
»Was?« Sie blinzelte verwirrt. Das fühlte sich eben aber noch ganz anders an.
»Nicht genug, Süße«, seufzte Grit und strich über Katjas Wange. »Und außerdem, du weißt doch, Regel Nummer eins: Fang nie was mit einer Kollegin an. Das gibt nur Probleme. Lass uns einfach weiter Freundinnen sein.« Grit brachte den zu ihren Worten passenden Abstand zwischen sie.
Katja, eben noch auf Wolke sieben, schlug hart auf dem Boden der unerfreulichen Tatsachen auf, direkt in das stachlige Beet der enttäuschten Gefühle. »Aber ich bin in dich verliebt!«, wiederholte sie, nur klang es im Gegensatz zu vorhin ziemlich gequält. Sie stieß sich von dem Baumstamm ab und bereute es sofort, weil sie merkte, wie ihre Beine vor Enttäuschung zitterten.
»Ach, das bildest du dir nur ein.« Grit wischte das Liebesgeständnis tatsächlich einfach mit der Hand weg. »Wir haben in den letzten Wochen so viel Zeit miteinander verbracht, ich war ja selbst eben für einen Moment überzeugt … das muss eine Art parallele Halluzination gewesen sein.«
»Halluzination?«, echote Katja hilflos.
»Komm, mach nicht so ein trauriges Gesicht.« Grit lächelte aufmunternd. »Ist doch kein Weltuntergang.«
Nicht für dich!
Katja fühlte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Da hatte sie geduldig gewartet, akribisch geplant und wofür? Für nichts. Nur wegen so einer blöden Regel! Wenn sie Grit die doch nur austreiben könnte. Katja war überzeugt, dann sähe alles ganz anders aus. Denn es gab sie, die Schwingungen zwischen Grit und ihr. Von Anfang an!
Zunächst schien die neue Teamleiterin ja etwas spröde. Aber Katja fiel schnell auf, dass sich dahinter lediglich Unsicherheit versteckte. Also hatte sie Grit zu ihrem Geburtstag eingeladen. Dazu der übliche Pulk loser Bekannter und Kollegen. Das Eis zwischen Katja und Grit brach, als Katja in der Küche mit dem Chaos zwischen Hauptgang und Nachttisch kämpfte und Grit kam, um mitzuteilen, dass der Wein ausgegangen sei. Sie sah die Panik in Katjas Blick und brach in Lachen aus. Auf Katjas verzweifeltes Augendrehen hin hatte Grit gefragt: »Kann ich irgendwie helfen?«
Das war der Beginn ihrer Freundschaft.
Katja fühlte bald mehr. Sie zeigte dies auch. Und Grit schien gar nicht mal abgeneigt. Warum auch? Katja wusste, sie musste sich ihres Äußeren wegen nicht im Schrank verstecken. Sie selbst würde sich nicht unbedingt attraktiv nennen. Aber die mandelförmigen rehbraunen Augen, der schmale Mund, die längliche Nase zwischen kaum hervorstehenden Wangenknochen reichten immerhin aus, dass die meisten ihr ein niedliches Gesicht bestätigten. Dazu das kurze schwarze Haar mit verdecktem Seitenscheitel und einigen frech in die Stirn gezupften Strähnchen. Alles in allem zierliche ein Meter fünfundsechzig. Schon so manche Frau hatte sich in das verliebt. Warum also nicht auch Grit?
Ja, warum nicht?
Stopp. Die Frage war ganz falsch gestellt! Grit mochte sie, da war Katja sich sicher. Grit traute sich nur
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