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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 2
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Kopfwunde tropfte Blut. Der Mund war weit geöffnet, die Augen waren starr und glasig ins Nichts gerichtet. Ein tätowierter Arm baumelte durch das offene Seitenfenster heraus, und Paul zwang sich, mit zitternder Hand nach dem Puls zu tasten. Genauso gut hätte er das bei dem Hähnchenschenkel machen können. Bei beiden wären Wiederbelebungsversuche zwecklos gewesen. Da war nichts mehr zu machen.
    Er spähte in den Innenraum.
    Was war das? Eine Pistole? Ja, das war eine Pistole. Und da war auch eine glimmende Zigarette, von der ein feines, weißes Rauchband aufstieg. So zart und elegant, als habe es mit dem Blut, dem Geld und den gierigen Tanten nicht das Mindeste zu tun.
    Der Benzingeruch wurde stärker. Paul spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Die Zigarette hatte in diesem Moment das hauchdünne, zusammengeknüllte Papier eines Cheeseburgers in Brand gesetzt, das neben die Sonnenblende des Beifahrerplatzes gekullert war. Und im nächsten Moment erfassten die kleinen Flammen eine gleich daneben liegende Schachtel Streichhölzer. Ein gemütlich knisterndes Feuerchen machte sich breit.
    »Tante Traudel!!!«
    »Nur noch ein paar Scheinchen!«
    »Tante Franzi!!!«
    »Hab’s gleich, Paulchen!«
    Es gelang Paul mit Mühe, seine Tanten dazu anzutreiben, in aller Eile die Spuren ihres Picknicks zu beseitigen, wobei Tante Traudel darauf bestand, jeden noch so kleinen Rest der Eierschalen aus dem Gras aufzulesen. »Wegen der DNA!«
    Es gelang ihm auch, Tanten und Tüten in seinem Golf zu verstauen, der ein paar Schritte weiter geparkt stand, wobei er Tante Franzi unterwegs von einem Brombeergestrüpp, das prachtvolle, schwarze Früchte zur Verarbeitung zu Likör anbot, geradezu mit Gewalt wegdrängen musste.
    Es gelang ihm schließlich, den Wagen zu starten, ohne darüber nachzudenken, was er da eigentlich tat.
    Es gelang ihm, zur Straße hinaufzufahren, ohne die Nerven zu verlieren.
    Es gelang ihm, ungesehen den Weg in Richtung Gemünd einzuschlagen, als plötzlich in der Ferne undeutlich ein dumpf grollendes Geräusch durch das Tal brandete.
    Tante Franzi fragte vom Rücksitz: »Likörchen, Paulchen?«
    Es waren 278.000 Euro. Eine mit knochigen Fingern am Küchentisch abgezählte Summe, die im Großen und Ganzen von den Meldungen im Radio bestätigt wurde. Das Geld war ausgerechnet in der Bankfiliale erbeutet worden, die sich schräg gegenüber vom Haus der Tanten in der Fußgängerzone Gemünds befand. Welch Ironie!
    Es gab zwei Dinge, die Paul überaus verstörten. Zum einen war da die Tatsache, dass seine beiden Tanten offensichtlich keinen noch so geringen Skrupel verspürten, so viel Geld zu behalten, das ihnen gar nicht gehörte. Tante Traudel argumentierte kühl, dass es wenige Minuten später ohnehin verbrannt wäre. Eine Viertelmillion Asche. Außerdem hätten sämtliche Banken dieser Erde durch ihr Benehmen in letzter Zeit ohnehin bei ihr verspielt – bis zur Steinzeit und zurück.
    Dann war da eine Nachricht, die ihn ebenfalls beunruhigte: In die Bankfiliale, in der sich zum Monatsbeginn ungewöhnlich viel Bargeld befunden habe, sei nicht ein einzelner Täter hineinspaziert, sondern zwei, so hieß es im Fernsehen. Eine Leiche sei in einem ausgebrannten Fahrzeugwrack unweit des Ruhrsees gefunden worden. Wo war der zweite Ganove abgeblieben? Das fragten sich nicht nur die Journalisten, die Bänker und die Polizei. Auch Paul hätte das ganz gerne gewusst.
    Tante Franzi, die gerade dabei war, ihren Kiefernspitzenlikör auf Flaschen zu ziehen und ab und zu eine Stichprobe davon nahm, kicherte unbedarft und erklärte, dass niemand sie am Unfallort gesehen habe. Kein Verbrecher und keine Polizei. Sie nicht, sein Auto nicht und auch nicht das Geld.
    Schließlich sahen ihn seine Tanten ernst an und legten die Gesichter in tausend nachdenkliche Falten. »Eins muss aber nun mal klar sein, mein lieber Neffe.« Tante Traudel legte ihm den Finger auf die Brust. »Das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können, ist großes Aufhebens.«
    »Was wir meinen«, fuhr Tante Franzi fort und verengte die rosinenkleinen Äugelchen zu Pfefferkörnern. »Dass wir zu Geld gekommen sind, darf niemand wissen.« Sie legte den Finger auf die gespitzten Lippen.
    »Ich bin nicht zu Geld gekommen«, protestierte Paul. »Ich habe meine Arbeit im Büro, meine kleine Wohnung, ich will damit nichts …«
    »Papperlapapp!«, herrschte ihn Tante Traudel an und reckte ihren langen Hals. »Du steckst mit drin, mein Junge. Wir teilen durch

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