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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 2
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Tante Franzi und kicherte mädchenhaft. Sie war die jüngere von beiden. Und die Kurzsichtigere. Hinter ihren Brillengläsern waren ihre Augen klein wie Rosinen.
    Paul nickte gottergeben und ließ sich einen Lavendellikör einschenken, der nach Deodorant roch. Er rümpfte die Nase. Irgendwann würde sie auch vor Stangenbohnen oder Käfern nicht mehr Halt machen.
    Er hatte eine Wiese im Sauerbachtal ausgesucht, in der Nähe eines idyllischen Bachlaufs unterhalb der Straße von Herhahn nach Einruhr. Ein verträumtes Fleckchen Erde, das nur selten von störenden Wanderern frequentiert wurde. In der Höhe konnte man undeutlich die Geräusche des vorbeirollenden Verkehrs wahrnehmen, der sich über die Serpentinen schlängelte.
    Ein Picknick.
    Tante Traudel hatte zuerst minutenlang den Kopf mit der scharf geschnittenen Nase hin und her gedreht. Ihr langer, faltiger Hals hatte sich gewunden wie ein Lappen, den man auswrang. Sie hielt Ausschau nach der Sensation. »Ein Picknick?« Sie schürzte die Lippen und machte sich widerwillig daran, die Mitbringsel aus dem großen Korb zu bergen. »Nur ein Picknick?«
    »Ach, Tante Traudel, muss es denn immer ein Abenteuer sein? Guck dich um. Die Vögel, der Bach, die Bäume … Lass uns die letzten Sommertage nutzen.«
    Tante Traudel maulte leise weiter und packte Brot, Käse und Wurst aus.
    »Na, dann machen wir’s uns mal gemütlich!« Tante Franzi holte eine weitere Flasche aus ihrer Handtasche. Sesamlikör. Rieb man sich mit so was nicht besser ein? »Likörchen, Paulchen?«
    Paul winkte ab. »Das Auto …« Er fischte einen Hähnchenschenkel aus der Tupperdose.
    In diesem Moment geschah etwas, das augenblicklich einen goldenen Schimmer der Verzückung auf Tante Traudels Gesicht zauberte.
    Das Brummen eines Fahrzeugs, das anscheinend von Südwesten her näher gekommen war, veränderte sich abrupt, das Motorengeräusch schwoll an, wurde brüllender, dann krachte und knasterte es irgendwo im Geäst hinter ihren Köpfen, und begleitet von prasselndem Geröll, Laub, zerberstenden Ästen und dem kreischenden Geräusch zerschleißenden Blechs brach aus dem Dickicht, das Tal und Serpentinenstraße voneinander trennte, etwas hervor, das wie ein silberner Opel Astra aussah.
    Tante Franzi schluckte aufgeregt ihren Likör, während das sich mehr und mehr verformende Fahrzeug zuerst mit dem Kühler aufschlug, sich dann seitwärts drehte, ein paar Meter auf der Beifahrerseite übers Gras schlitterte und schließlich unweit des Bachs zur Ruhe kam und nahezu gemächlich auf das Dach kippte. Das Motorengeräusch war verstummt, zwei der vier Räder drehten sich noch träge. Das vierte ragte grotesk abgewinkelt in die Luft.
    Paul starrte mit offenem Mund zu dem Fahrzeugwrack hinüber.
    Während Tante Franzi noch die Likörflasche verschraubte, hatte sich ihre Schwester bereits aufgerappelt und stapfte mit weit ausholenden Schritten durch das hohe Gras auf den Wagen zu.
    »Aber du kannst doch nicht …« Man kannte das doch aus Filmen. Fahrzeuge in solchen Situationen pflegten stets zu explodieren. Natürlich hatte Paul auch gehört, dass das ausgemachter Unsinn war, aber wer konnte schon wissen … Er beeilte sich, seiner Tante hinterherzusetzen. »Tante Traudel …«
    »Wartet auf mich!«, jubelte Tante Franzi.
    Es roch nach Benzin. Es roch gefährlich.
    »Kommt da weg, ihr beiden!«, rief Paul, und seine Stimme gab das Vibrato seiner Nerven wieder. Und dann sah er das, was auch seine Tanten sahen: Geld. Viel Geld. Es quoll aus zwei Plastiktüten im hinteren Teil des Wagens. Ein paar einzelne Scheine sanken langsam auf den zu unterst gekehrten Wagenhimmel.
    »Da!« Tante Franzi wies auf die Böschung, auf der der Wagen zu Tal gepoltert war. Eine weitere Tüte. Aldi. Weiteres Geld. Verweht, verstreut auf der Wiese, zwischen den Büschen, unterhalb des Gesträuchs, das sich längst wieder zu einem grünen Wall geschlossen und dabei die verräterische Unfallspur von der Straße hinunter zu ihnen verschluckt hatte. Tante Franzi begann, das Geld aufzulesen. Sie war über siebzig, aber sie war ein wieselflinkes, kleines Reptil.
    Auch Tante Traudel langte gleich durch die zerborstene Heckscheibe in das Innere des Fahrzeugs und zerrte an den Plastikbeuteln.
    »Lass das, Tante Traudel, um Himmels willen, lass das bitte sofort sein …«
    »Er braucht es doch nicht mehr!«, raunzte sie und zupfte weitere Scheine hervor.
    »Wer?«
    Der Mann hing reglos im Gurt des Fahrersitzes. Aus einer gewaltigen

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