Betrügen lernen
Wenig rührt sich, zumindest an meinem Rücken. Ich habe wohl die Saug- und Sogwirkung beim gemeinsamen Plantschen unterschätzt. Es gibt ja diese uralten Männerfantasien vom gefangenen Penis, der nicht mehr aus ihrer Scham loskommt, weil sie ihn mit all ihrer Beckenbodenkraft umklammert und festhält. Besonders furchtsame Männer haben sich dazu immer noch eine Vagina dentata vorgestellt, eine mit Zähnen bewehrte Scheide, die im Zweifel zuschnappen kann, wenn er sich wieder lösen will. Das ist hier alles nicht der Fall, ich war auch nie empfänglich für einen solchen Aberglauben. Hier geht es lediglich um die erstaunlichen Saugkräfte, die mein Hüftfleisch am Badewannenrand festzuhalten scheinen.
Clara hat inzwischen ihre Füße hinter meinem Rücken gelöst und lässt sie am Kopfende aus der Wanne baumeln, um sie nur umso fester dort wie einen Hebel zu verhaken und sich gegen mich und mich gegen die Wanne zu drücken. Das ist von einer leidenschaftlichen Wucht, wie ich sie lange nicht mehr gespürt habe. Das ändert aber nichts daran, dass ich immer noch am Wannenrand festklebe.
Sie löst sich langsam aus der Umklammerung, gleitet zurück in die Fluten und taucht kurz im Schaum unserer Liebe unter. Als sie wieder auftaucht und sich mit nassen Haaren auf den Beckenrand setzt, fängt sie an zu lachen. Sie merkt, dass ich immer noch nicht von der Badewan nenwand loskomme. Ich fühle mich wie eine dieser Kunst figuren, die auf einem Stuhl sitzen, den man in mehreren Metern Höhe irgendwo an einer Hauswand angebracht hat, und die ein bisschen so aussehen, als hätte ein Schmetterlingssammler seine Trophäen mit Nadeln dort festgepiekt und ausgebreitet, sodass alle Welt sie besser bestaunen kann, sich aber gleichzeitig fragt: Was macht der eigentlich da oben?
Sie zieht ein bisschen an meinen Armen, aber es tut sich nichts. Ich versuche es selbst, aber das tut höllisch am Rücken weh. Ich finde auch keinen Hebel, um mich festzuhalten, und rutsche immer wieder in dem seifigen Gelände ab. Sie lässt mit dem Brausekopf Wasser zwischen Wand und Haut laufen, aber ich habe eher den Eindruck, dass es wie Flüssigbeton die Verbindung zwischen mir und dem Email der Badewanne noch weiter festigt. Sie will verschiedene Badelotionen und Duschgels dazugeben, als Schmierstoff zwischen Mensch und Wanne. Damals im Freibad kam ja auch noch jeder Flutschfinger und jeder Cola-Lutscher aus seiner Verpackung, wenn man ihn nur geduldig genug knetete und freundlich zu ihm war. Da sie meine Allergie aber noch in lebhafter Erinnerung hat, hält sie sich mit den exotischen Badeessenzen zurück und setzt auf manuelle Hilfe.
»Ich rufe die Feuerwehr an«, sagt sie lachend und ist schon mit einem Handtuch um die Hüften im Wohnzimmer verschwunden. »Nein, lass das«, rufe ich ihr hinterher. »Bitte nicht, das schaffen wir auch so.« Zu spät, sie hat schon die Notrufnummer gewählt.
Als die kräftigen Herren in Uniform bald darauf auftauchen, um mich mit schwerem Gerät aus meiner misslichen Lage zu befreien, hänge ich immer noch fest wie ein gekreuzigter Schmetterling.
»Wie haben Sie denn das angestellt?«, sagt einer der Feuerwehrmänner und versucht, dabei ernst zu bleiben. »Löschen muss man hier ja wohl nichts.« Clara steht komplett angekleidet daneben, nickt ganz ernsthaft, aber kann sich vor Lachen kaum halten.
Liebe geht durch den Magen
Das Wochenende hat Clara für uns schon geplant und uns im Romantik-Kuschelhotel »Zur fidelen Gams« eingemietet, ihre Eltern passen auf die beiden Mädchen auf. Sie will offenbar wirklich einen Neuanfang. Die fidele Gams ist ein ehemaliger Landgasthof in Tirol, der in letzter Zeit mächtig aufgerüstet hat. Die Sessel in der Lobby sind mit dunkelrotem Samt bezogen, die Lehnen übergroß und an der Holzeinfassung silberglänzend lackiert. Ein Landpuff im Sauerland würde wohl eine ähnliche Innenausstattung wählen. In unserem Zimmer ist in der Mitte ein überdimensional großes Bett mit einem fadenscheinigen Baldachin platziert, im Bad gibt es eine kolossale Sprudelwanne.
Zusätzlich ist da noch dieser enorme Wellnessbereich. Es gibt unterschiedlich heiße Sprudelbäder, und wir beide lassen uns schon mal vor den Wasserdüsen den Rücken kraulen, bis wir uns träge zum Wasserfall und der Raindance-Anwendung weitertreiben lassen. Bei den Wasserdüsen muss man allerdings aufpassen, der Strahl ist zu hart eingestellt.
Abends steht ein phönizisches Liebesmahl für Clara und mich auf dem
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