Betrügen lernen
kann, unterbricht Clara sie: »Lass mich raten, es haben sich 17 weitere Paare getrennt, und in allen Fällen kommen die Frauen allein und wir haben einen gigantischen Männermangel auf unserem Fest. Aber ansonsten laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, und es gibt drei klassische Konzerte, zwei Gedichtvorträge und vier Sketche.«
»Du bist wirklich blöd, Clara, weißt du das? Aber dass jetzt mehr Männer kommen, als wir befürchtet haben, das stimmt schon. Ich habe mich nämlich verliebt. Er ist so was von süß. Und wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich ihn so gerne mitbringen. Clara, ich muss ihn mitbringen!«
Clara staunt tatsächlich über Dorothees neues Talent für Liebschaften. War da nicht vor Kurzem noch dieser Guru, der sie vor dem ersten Trip hat sitzen lassen? Und jetzt schon wieder ein Neuer, nachdem sie jahrelang vergeblich auf der Suche war.
»Du könntest dich auch glatt in ihn verlieben, wenn du ihn kennen würdest. Vielleicht sollte ich ihn doch nicht zu eurem Fest mitbringen, damit du nicht auf dumme Gedanken kommst.« Dorothee kichert albern.
Gut, kein Entrinnen. Clara schaltet auf den Dorothee-Modus um und kommentiert mehr oder weniger gelangweilt ihre Ergüsse.
»Da mach dir mal keine Sorgen, wir sind uns doch schon zu Schulzeiten nie ins Gehege gekommen. Ich glaube, du hast einen grundsätzlich anderen Geschmack als ich.« Clara muss an Dorothees Wohnung denken, die völlig überladen ist mit Häkeldeckchen, Kerzenständern, Setzkästen mit albernen Figuren und anderen Stehrümchen.
»Er ist so rücksichtsvoll und würde nie eine Frau ausnutzen, so was tut er nicht«, schwärmt Dorothee. »Das hat er übrigens auch gar nicht nötig.«
»Was für ein Held!«
»Du machst dich lustig über mich, dabei stimmt es wirklich. Er hat Charakter, Haltung, Stil. Neulich hat er eine Bekannte bei sich übernachten lassen, die nach einem gemeinsamen Essen so sturzbetrunken war, dass sie nicht mehr geradeaus laufen konnte. Und er, ganz der Gentleman, hat sie mit zu sich genommen, sie vorsichtig in sein Bett gelegt, aber nicht angerührt. Und er selbst hat auf dem Sofa übernachtet. So einer ist das, stell dir das vor.«
»Ja, und die Erde ist eine Scheibe und der Dalai-Lama ein Waffenhändler, und in Norwegen blühen gerade die Kakteen. Sonst noch etwas? Hast du dich nicht mal gefragt, warum dieser Superman noch zu haben ist? Da muss doch etwas oberfaul sein.«
Ich habe das Licht gesehen
Als ich die Augen wieder aufmache, bin ich geblendet. Was soll das, viel zu hell ist es hier. Stunden könnten vergangen sein, vielleicht sogar Tage. Sind es offenbar auch. Was soll das alles? Wo bin ich hier? Und was ist das für ein lächerliches Flügelhemd, das ich da anhabe?
Bin ich tot? Habe ich schon ein Engelsgewand an? Ist das das viel beschworene Licht am Ende des Tunnels auf der Reise, das ich gerade sehe? Das gleißende Licht? Irgendwo hier muss es doch noch diesen verdammten Regenbogen geben als besondere Attraktion. Von dem ist zumindest in den einschlägigen Tourenbeschreibungen immer die Rede. Oder warten am Ende des Tunnels viel leicht ein paar Dutzend Jungfrauen auf mich, damit sich der Trip wenigstens gelohnt hat? Ach nein, das ist ja bei den Jungs von der anderen Glaubensfraktion die Prophezeiung, die manche unbekümmert gen Himmel fahren lässt. Ich kann noch nicht klar denken, wahrscheinlich ist das eine der Nebenwirkungen, wenn man keine Zeit hat, sich auf diese Art von Fernreise etwas gründlicher vorzubereiten.
Clara sitzt neben mir auf dem Bett. Ich bin wohl doch noch nicht tot, und sie ist es auch nicht, denn eines von beidem hätte ich wahrscheinlich irgendwie mitbekommen. Aber das ist doch nicht unser Bett hier, und sie ist außerdem vollständig angezogen. Hier stimmt etwas ganz grundsätzlich nicht. Vorhin war da doch noch dieses Bett in Paris und dieses Öl überall. Hier riecht es hingegen scharf nach Desinfektionsmittel, frischem Morgenurin und Krautwickeln.
Es dauert eine Weile, bis ich kapiere, wo ich bin. Offensichtlich in einem Krankenhaus. Mist, habe ich mir im Liebesspiel etwa schon wieder den Kiefer ausgerenkt und anschließend das Bewusstsein verloren? Moment, eben war doch noch die bezaubernde Valerie neben mir. Ich bin erschöpft und mein Mund fühlt sich so trocken an, als ob ich gerade eine Tüte Mehl gefrühstückt hätte.
Ich will trinken, aber da ist nur eine Schnabeltasse. Mühsam nur, Schluck für Schluck rinnt etwas Flüssigkeit meine aufgeraute Kehle
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