Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beute

Beute

Titel: Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
Im Hintergrund hörte ich Amanda schreien und Eric Nicole anbrüllen. Ellen sagte: »Nicole, lass deinen Bruder in Ruhe!«
    Ich sagte: »Hi, Ellen.«
    »Oh, Gott sei Dank«, sagte sie. »Du musst mit deiner Tochter sprechen.«
    »Was ist denn los?«
    »Moment. Nicole, dein Vater.« Ich sah im Geiste, wie sie ihr den Hörer entgegenstreckte.
    Dann eine Pause. »Hi, Dad.«
    »Was ist denn bei euch los, Nic?«
    »Nichts. Eric benimmt sich unmöglich.« Sachlich.
    »Nic, ich möchte wissen, was du mit deinem Bruder gemacht hast.«
    »Dad.« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern. Ich wusste, dass sie die hohle Hand über den Hörer hielt. »Tante Ellen ist nicht sehr nett.«
    »Das hab ich gehört«, sagte Ellen im Hintergrund. Aber wenigstens schrie Amanda nicht mehr; sie war hochgenommen worden.
    »Nicole«, sagte ich. »Du bist die Älteste, ich erwarte von dir, dass du dich mit deinem Bruder verträgst, wenn ich nicht da bin.«
    »Will ich ja auch, Dad. Aber er ist ein Riesenaffenarsch!«
    Aus dem Hintergrund: »Bin ich nicht! Blöde Sau!«
    »Dad. Da hörst du, was ich durchmache.«
    Eric: »Du kannst mich mal, Pissnelke.«
    Ich blickte auf den Monitor vor mir. Er zeigte die Wüste draußen, rotierende Bilder von allen Überwachungskameras. Eine Kamera zeigte das Motorrad, das vor der Tür zur Energiestation auf der Seite lag. Eine andere das Depot von außen, wo die Tür auf-und zuklappte und drinnen die Umrisse von Rosies Leichnam zu erkennen waren. Zwei Menschen waren heute gestorben. Ich auch beinahe. Und meine Familie, die gestern noch das Wichtigste in meinem Leben gewesen war, kam mir jetzt weit weg und unbedeutend vor.
    »Es ist ganz einfach, Dad«, sagte Nicole jetzt, in ihrer vernünftigsten Erwachsenenstimme. »Ich komme mit Tante Ellen vom Einkaufen nach Hause, ich hab eine tolle Bluse für die Theatervorführung gekriegt, und auf einmal kommt Eric in mein Zimmer und schmeißt meine ganzen Bücher auf die Erde. Ich hab natürlich gesagt, er soll alles wieder aufräumen. Er sagt, nein, und hat mich F., du weißt schon, genannt, also hab ich ihn in den Hintern getreten, nicht sehr fest, und ihm seinen G.I. Joe weggenommen und versteckt. Mehr nicht.«
    Ich sagte: »Du hast ihm seinen G.I. Joe weggenommen?« G.I. Joe war Erics Ein und Alles. Er sprach mit G.I. Joe, und wenn er schlief, lag G.I. Joe auf dem Kopfkissen neben ihm.
    »Er kann ihn wiederhaben«, sagte sie, »wenn er meine Bücher wieder aufgehoben hat.«
    »Nic …«
    »Dad, er hat das Wort mit F zu mir gesagt.«
    »Gib ihm seinen G.I. Joe zurück.«
    Auf dem Monitor erschienen jetzt nacheinander die Bilder von den verschiedenen Kameras. Jede Aufnahme war ein oder zwei Sekunden zu sehen. Ich wartete, dass das Bild vom Depot wieder eingeblendet wurde. Ich hatte so ein ungutes Gefühl. Irgendwas stimmte da nicht.
    »Dad, das ist ungerecht.«
    »Nic, du bist nicht seine Mutter …«
    »Ach so, ja, die war ja auch mindestens fünf Sekunden hier.«
    »Sie war zu Hause? Mom war da?«
    »Aber dann, wer hätte das gedacht, musste sie gleich wieder weg. Sie musste einen Flug kriegen.«
    »Aha. Nicole, hör bitte auf Ellen …«
    »Dad, ich sage dir, sie ist einfach …«
    »Weil sie die Verantwortung hat, bis ich wiederkomme. Also, wenn sie dir sagt, was du tun sollst, dann tust du es.«
    »Dad. Ich finde das unzumutbar.« Ihre Geschworenenstimme.
    »Tja, Mäuschen, aber so wird’s gemacht.«
    »Aber mein Problem …«
    »Nicole. So wird’s gemacht. Bis ich wieder da bin.«
    »Wann kommst du denn?«
    »Wahrscheinlich morgen.«
    »Okay.«
    »Also. Haben wir uns verstanden?«
    »Ja, Dad. Ich krieg hier wahrscheinlich einen Nervenzusam-menbruch …«
    »Ich besuch dich auch in der Nervenheilanstalt, sobald ich zurück bin, versprochen.«
    »Sehr witzig.«
    »Gib mir mal Eric.«
    Ich hatte ein kurzes Gespräch mit Eric, der mehrmals betonte, dass das alles gemein sei. Ich sagte, dass er Nicoles Bücher aufheben solle. Er erwiderte, er habe sie gar nicht runtergeschmissen, es sei ein Versehen gewesen. Ich sagte, er solle sie trotzdem aufheben. Dann sprach ich kurz mit Ellen. Ich munterte sie auf, so gut ich konnte.
    Während des Gesprächs erschien plötzlich wieder ein Bild von der Überwachungskamera, die auf das Depot gerichtet war. Und wieder sah ich die pendelnde Tür und die Außenseite des Gebäudes. Es lag auf einer kleinen Erhöhung; vier Holzstufen führten von der Tür nach unten auf die ebene Erde. Aber alles sah ganz normal aus. Ich wusste

Weitere Kostenlose Bücher