Beute
Alarm nicht losgegangen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht haben sie ja schon gelernt, ihn auszutricksen.«
Ich folgte den anderen in den Technik-Raum, wo große Flüssigkristallbildschirme an den Wänden die Bilder der Außenkameras zeigten. Die Wüste aus allen Perspektiven.
Die Sonne war schon am Horizont verschwunden, aber der Himmel war noch leuchtend orange, wurde lila und dann dunkelblau. Vor diesem Himmel hob sich die Silhouette eines jungen Mannes mit kurzen Haaren ab. Er trug eine Jeans und ein weißes T-Shirt und sah aus wie ein Surfer. Ich konnte sein Gesicht in dem schwächer werdenden Licht nicht deutlich sehen, doch die Art, wie er sich bewegte, hatte für mich irgendwas Vertrautes.
»Haben wir draußen keine Scheinwerfer?«, fragte Charley. Er ging auf und ab, seinen Teller Pasta in der Hand, und aß noch immer.
»Licht geht an«, sagte Bobby, und gleich darauf stand der junge Mann in grellem Licht. Jetzt konnte ich ihn deutlich sehen …
Und dann fiel es mir ein. Er sah genauso aus wie der junge Mann, der gestern Abend nach dem Essen in Julias Wagen gesessen hatte, als sie wegfuhr, kurz vor ihrem Unfall. Derselbe blonde Surfertyp, der, jetzt da ich ihn wieder sah, Ähnlichkeit mit .
»Ach du Schande, Ricky«, sagte Bobby. »Der sieht aus wie du.«
»Du hast Recht«, sagte Mae. »Es ist Ricky. Sogar sein T-Shirt.«
Ricky zog sich gerade eine Limo am Automaten. Er drehte sich zum Monitor um. »Was redet ihr denn da?«
»Er sieht aus wie du«, sagte Mae. »Er hat sogar dein >Ich bin Root<-T-Shirt an.«
Ricky blickte auf sein T-Shirt, dann wieder auf den Bildschirm. Einen Moment lang sagte er kein Wort. »Das gibt’s doch gar nicht.«
Ich sagte: »Du warst kein einziges Mal draußen, Ricky. Wieso bist du das da?«
»Keinen Schimmer«, sagte Ricky. Er zuckte lässig die Achseln. Zu lässig?
Mae sagte: »Ich kann das Gesicht nicht richtig erkennen. Ich meine, die Gesichtszüge.«
Charley trat näher an den größten Monitor und betrachtete das Bild mit zusammengekniffenen Augen. »Die Gesichtszüge sind deshalb nicht zu sehen«, sagte er, »weil es keine gibt.«
»Ach, hör doch auf.«
»Charley, das ist ein Auflösungsfehler, mehr nicht.«
»Nein«, sagte Charley. »Da sind keine Gesichtszüge. Zoom es doch ran und guck selbst.«
Bobby zoomte. Das Bild des blonden Kopfes wurde größer. Die Gestalt bewegte sich hin und her, verschwand aus dem Bild und kam wieder herein, aber es war gleich klar, dass Charley Recht hatte. Es gab keine Gesichtszüge. Unter dem blonden Haaransatz war eine ovale Fläche blasse Haut; Nase und Augenbrauen waren angedeutet, und dort, wo die Lippen hingehörten, war eine Art Wölbung. Aber richtige Gesichtszüge waren das nicht.
Es sah aus wie das unvollendete Werk eines Bildhauers. Es war ein unvollendetes Gesicht.
Doch die Augenbrauen bewegten sich von Zeit zu Zeit. Eine Art Wackeln oder Flattern. Aber vielleicht war das ja ein Bildfehler.
»Euch ist doch wohl klar, was wir da sehen, nicht?«, sagte Charley. Er klang besorgt. »Schwenk nach unten. Wir wollen uns den Rest angucken.« Bobby schwenkte nach unten, und wir sahen weiße Sportschuhe, die sich über den Wüstensand bewegten. Bloß, die Schuhe schienen den Boden nicht zu berühren, sondern darüber hinwegzuschweben. Und sie waren irgendwie verschwommen. Man konnte die Schnürsenkel erahnen und auch einen Streifen, wo normalerweise das NikeLogo war. Aber es sah aus wie eine Skizze, nicht wie ein richtiger Sportschuh.
»Das ist seltsam«, sagte Mae.
»Überhaupt nicht seltsam«, sagte Charley. »Das ist eine berechnete Annäherung an Dichte. Der Schwarm hat nicht genug Agenten, um Schuhe mit hoher Auflösung darzustellen. Er nähert sich also nur an.«
»Oder aber«, sagte ich, »er versucht, aus den Materialien, die er hat, das Beste zu machen. Er muss all die Farben erzeugen, indem er seine fotovoltaische Oberfläche ganz leicht neigt, um das Licht aufzufangen. Wie bei diesen großen Kartons, die die Fans im Footballstadion hochhalten, um ein Bild darzustellen.«
»Was bedeuten würde«, sagte Charley, »dass sein Verhalten ziemlich hoch entwickelt ist.«
»Höher als alles, was wir vorher gesehen haben«, bestätigte ich.
»Ach, jetzt hört aber auf«, sagte Ricky gereizt. »Ihr tut ja so, als wäre der Schwarm da Einstein.«
»Ganz sicher nicht«, sagte Charley, »wenn er dich imitiert, kann er kein Einstein sein.«
»Halt die Luft an, Charley.«
»Würde ich ja, Ricky, aber du bist so ein
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