Bevor ich verbrenne
Reden hat als sich selbst. Ich hoffe jedenfalls, dass Du mir ein paar Worte zukommen lässt, aber denk an den Absender auf dem Umschlag. Lass es Dir gutgehen, grüß alle, die ich kenne, und sag ihnen, dass es mir den Umständen entsprechend gut geht.
Er hatte versucht, ins Leben zurückzukehren. Im Gefängnis hatte er sich zum Krankenpfleger ausbilden lassen. Keine schlechte Berufswahl, schließlich war er ja immer nett und freundlich gewesen. Er saß seine Zeit in der Sicherungsverwahrung ab und zog wieder in das Haus in Skinnsnes, aber er spürte, dass die Menschen Angst vor ihm hatten. Er bewarb sich auf sehr viele Stellen, aber vergeblich; er versuchte, vor sich selbst und seiner Vergangenheit zu flüchten, und zog nach Nord-Norwegen, dort heiratete und wohnte er einige Jahre. Aber es funktionierte nicht. Die Ehe zerbrach. Er kam wieder nach Hause und zog in Skinnsnes ein. Damals wurde Alma krank. Es hieß, sie hätte Raucherbeine, in einem Stadium, dass ihr schließlich beide Füße amputiert werden mussten. Man nahm ihr die Beine ab . Die letzte Zeit saß sie im Rollstuhl. Alma starb auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Brand in Dynestøl, als das Haus und die Scheune von Olga in Flammen aufgingen. Dag versuchte, sein Leben in den Griff zu bekommen. Er hielt sich häufig in seinem Zimmer auf und hörte Musik, während Ingemann allein im Wohnzimmer saß. Während der Olympiade in Lillehammer saßen sie stumm nebeneinander und sahen sich die Übertragungen an. Niemals sprachen sie über die Ereignisse vor bald sechzehn Jahren. Im Frühjahr 1995 fiel Ingemann plötzlich in seiner Werkstatt um. Dag war dort und versuchte, ihn wiederzubeleben, er war ja immerhin Krankenpfleger. Aber es half nichts. Der Vater starb in seiner Werkstatt, während Dag neben ihm kniete. Als ihm klar wurde, was passiert war, ging er ruhig zu dem Pfosten, legte den Schalter um, und der Alarm ergoss sich wie ein Sturzbach vom Himmel.
Fortan wohnte er allein in dem Haus in Skinnsnes, mitten im magischen Zirkel. Er bekam endlich eine feste Arbeit, als Müllmann bei der Gemeinde. Er begann im Morgengrauen, fuhr in dem blauen Pick-up der Gemeinde herum und warf die schwarzen Müllsäcke auf die Ladefläche. Es war eine Arbeit, die ihm gefiel. Es war eine Arbeit, für die er geschaffen war. Er hatte eine feste Tour, und er fing an, seine eigene Zeit zu messen. Niemand erledigte die Arbeit so schnell wie er, und es gelang ihm sogar, noch weitere Sekunden einzusparen. Er sprang aus dem Wagen, rannte über den Hof, schleuderte die Müllsäcke auf die Ladepritsche, sprang wieder hinein und fuhr weiter. Er holte den Müll bei uns zu Hause in Kleveland und in Heivollen bei Großmutter. Ich erinnere mich daran, und ich erinnere mich, dass jemand mich darauf aufmerksam machte. Dass er es war. Ich erinnere mich an eine gewisse abwartende Skepsis bei den Leuten.
Wer kommt im ersten Morgengrauen angefahren? Ist das nicht der Pyromane? Er hat die Gegend auf den Kopf gestellt. Vor bald zwanzig Jahren hat er acht Gebäude in Schutt und Asche gelegt, das Leben von vier älteren Menschen hätte er beinahe auf dem Gewissen gehabt. Das war er doch?
Jetzt fuhr er umher und sammelte den Müll der Leute ein. Und er tat es schneller als jeder andere. Nach einer Weile kamen die ersten Beschwerden. Er fuhr so schnell, dass die Säcke von der Ladepritsche fielen und auf der Straße liegenblieben. Ich selbst habe mal einen Müllsack im Straßengraben bei Vollan gefunden, als ich vom Bus kam. Aber damals wusste ich nicht, wie alles zusammenhing. Er fuhr die Route immer schneller und verlor immer mehr Müll. Schleuderte auf den Hof, sprang heraus, holte rennend den Sack, schmiss ihn hinauf, sprang hinters Lenkrad und setzte auf die Straße zurück. Weiter. Weiter. Nächstes Haus. Und das nächste. Schneller. Immer schneller in einer immer wilderen Spirale. Wieder war er ganz oben, ganz allein.
Am Ende schmiss man ihn raus. Er blieb allein in dem großen leeren Haus. Und eines Tages verkaufte er es und zog um, doch obwohl neue Bewohner in das weiße Haus in Skinnsnes zogen, blieb es das Haus des Pyromanen . Plötzlich befand er sich im freien Fall. Er, der so erwünscht und so geliebt worden war. Er, der so nett gewesen war, so beliebt bei allen. Er, ein so guter Junge. Er, der das Leben noch vor sich gehabt hatte. Was hatte er jetzt?
Er hatte zum ersten und zum letzten Mal einen Hubschrauberrundflug über dem Ort unternommen, in dem er sich so wohl gefühlt hatte
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