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Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaute Heivoll
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Ereignissen der letzten Tage hatte sie die Nummer mit schwarzer Tinte auf einen Zettel geschrieben. Sie überlegte, was sie sagen sollte, während ihr Finger die Scheibe drehte. Hier ist Johanna Vatneli. Unser Haus brennt.
    Das Telefon war tot.
    In diesem Moment gab es einen Kurzschluss, es knallte im Sicherungskasten, Funken schlugen aus der Steckdose am Spiegel, das Licht ging aus und alles wurde vollkommen dunkel. Sie fasste Olav an der Hand, vorsichtig tasteten sie sich über den Fußboden, bis sie die Haustür erreichten. Die kühle Nachtluft wurde sofort hereingesogen und versorgte den Brand mit neuer Nahrung. Sie hörten mehrere dumpfe Schläge und dann ein Brüllen, als die Flammen durch den Dachboden brachen und sofort die Innenseiten der Dachfenster hinaufleckten.
    Ich habe diesen Brand so viele Male vor mir gesehen. Die Flammen schienen auf diesen Augenblick geradezu gewartet zu haben, auf diese Nacht, diese Minuten. Sie wollten hinaus in die Dunkelheit, sie wollten sich gegen den Himmel recken, aufleuchten, frei werden. Und kurz darauf waren sie tatsächlich frei. Mehrere Fensterscheiben zerbarsten gleichzeitig, das Glas splitterte und die Flammen waren entfesselt, sie schlugen hoch in die Luft und tauchten den gesamten Garten sofort in ein gelbes, unwirkliches Licht. Niemand hat den Brand beschreiben können, denn außer Olav und Johanna war niemand dabei gewesen, aber ich habe alles vor mir gesehen. Ich habe gesehen, wie die Bäume, die am nächsten standen, in diesem Licht enger zusammenrückten, wie sie sich gleichsam sammelten und stumm und unmerklich in den Garten glitten. Ich habe gesehen, wie Johanna Olav über die fünf Treppenstufen in das hohe Gras unter dem Kirschbaum ziehen musste, der mit seinem dicken, graubemoosten Stamm wie versteinert dastand, und weiter durch den Garten bis zur Straße. Dort hatte sie das Gefühl, in Sicherheit zu sein, dort blieben sie stehen und starrten auf das Haus, in dem sie seit 1950 gewohnt hatten. Sie sprachen kein Wort, es gab nichts zu sagen. Nach vielleicht ein oder zwei Minuten riss sie sich dennoch los, während Olav stehenblieb. Nur mit seinem Nachthemd bekleidet. In dem flackernden Schein glich er einem kleinen Kind. Der Mund stand halb offen und die Lippen bewegten sich ein wenig, als versuche er, ein Wort zu formen, das es nicht gab. Johanna lief zurück durch den Garten, vorbei an den Beerensträuchern und Apfelbäumen, die erst seit wenigen Tagen in Blüte standen. Das Gras war mit Tau überzogen, und ihre Waden und der Saum ihres Nachthemds wurden nass. Als sie wieder auf der Treppe stand, spürte sie die gewaltige wogende Hitze aus der Küche und der ganzen nach Osten ausgerichteten Dachetage.
    Dann ging sie hinein.
    Im Flur hatte sich ein Teil des Rauchs verzogen; sie sah die Küchentür, die sie zugeworfen hatte, wie auch die weit offen stehende Tür zum Wohnzimmer. Sie probierte einige vorsichtige Schritte über den Boden. Überall knisterte und knallte es, aber sie musste die Treppe hinauf. Bei jeder Stufe bohrte sich das Messer tief in den Bauch. Es wurde herausgezogen und wieder hineingestochen. Sie fasste an das Geländer und zog sich hoch, bis sie auf dem Absatz zwischen den Dachgeschosszimmern stand. Sie öffnete die Tür zu der Kammer, die einmal Kåre gehört hatte; nichts hatte sich verändert. Sein Bett stand weiß und gemacht da, wie in all den Jahren seit seinem Tod. Sein Schrank stand dort, der Stuhl, gegen den er die Krücken gelehnt hatte, das Bild von den beiden Kindern, die am Wasserfall spielten, und der Engel des Herrn, der über ihnen schwebte, alles war da. Auch ihre Tasche mit den dreitausend Kronen. Sie lag in der obersten Schublade der Kommode, die noch voll war mit Kåres Kleidern; und als ihr Blick in diesem Moment auf eines seiner alten Hemden fie l – es war das Hemd mit dem kleinen Riss an der Brus t –, spürte sie, dass sie nicht die Kraft hatte, wieder hinunterzusteigen. Als würde ihr plötzlich beim Anblick des Hemdes alles klar. Sie ließ die Tasche auf den Boden fallen und setzte sich ruhig aufs Bett. Sie spürte die Federung der Matratze und das bekannte, wohlige Knarren unter sich. Der Rauch zog durch die Fußbodenritzen, sammelte sich und stieg an die Decke. Eine reglose Gestalt aus Rauch schien direkt vor ihren Augen langsam Form anzunehmen. Die Gestalt bekam Arme, Hände, Füße und ein undeutliches Gesicht. Sie senkte den Kopf und betete ein stilles Gebet ohne Anfang und Ende, nur ein Satz oder zwei,

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