Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
Unterstützung der Kriminaltechnik, eine Hundestaffel sowie einen Rechtsmediziner angefordert, der allerdings noch auf der Køge-Bucht-Autobahn im Stau steckte. Er würde demzufolge die Leichenschau erst durchführen können, wenn bereits wertvolle Ermittlungszeit unwiderruflich verloren gegangen war.
»Wir brauchen die Namen der anderen Eisbader«, sagte Thor. »›Die Wikinger‹ oder wie sie sich nennen. Einige sind inzwischen sowieso aufgetaucht, aber es gibt doch bestimmt auch eine Mitgliederliste.«
»Wir haben auch ein paar Leute losgeschickt, um die Nachbarschaft zu befragen. Sollte es Zeugen geben, werden wir sie garantiert finden.«
Thor hörte nur mit halbem Ohr hin, was der Kollege erzählte.
»Er wurde vermutlich vor nicht allzu langer Zeit hier ermordet. Nicht gerade der diskreteste Ort der Welt. Außer ganz früh am Morgen, bevor die Eisbader und alle anderen Frühaufsteher auf den Beinen sind. Natürlich kann es sich um eine Zufallstat handeln. Raubmord oder irgendwas in der Richtung. Aber dazu erscheint mir das alles viel zu geordnet. Was sagt uns das?«
»Dass es sich um einen vorsätzlich geplanten Mord handelt.«
Thor nickte und holte sein Handy aus der Tasche.
»Und nicht nur das. Der Mörder muss gewusst haben, dass Spang-Hansen immer als Erster hier ankam. Also sollten wir wohl erst mal die übrigen Masochisten im Club unter die Lupe nehmen. Wer weiß, vielleicht erweist sich ja einer von ihnen auch als Sadist.«
*
»So macht meine Mutter den aber nie!«
Maja schob die Schale mit dem Haferbrei von sich und schaute Linnea an, gespannt darauf, wie ihre Provokation ankommen würde. Linnea hatte eine elende Nacht mit verstopfter Nase hinter sich, und nachdem Thor zu einem mutmaßlichen Mord gerufen worden war, hatte sie lange unter der warmen Dusche gestanden, um Energie für den Morgen mit seiner siebenjährigen Tochter zu tanken. Sie hatte sich gerade noch eine Tasse Kaffee kochen können, ehe es Zeit wurde, das Mädchen zu wecken und ihr zu erklären, dass ihr Vater leider zur Arbeit musste und Linnea und sie einen Vormittag zu zweit vor sich hatten.
Maja hatte Linnea misstrauisch angeblickt. Kein Wunder, denn bisher hatten sie nicht viel Zeit miteinander verbracht. Linnea übernachtete eigentlich nur bei Thor, wenn Maja bei ihrer Mutter war, worüber sie auch froh war.
»Tja, das wird wohl daran liegen, dass ich nicht deine Mutter bin. Und wenn du ihn jetzt schon eklig findest, solltest du ihn erst mal probieren, wenn er kalt geworden ist! Ich an deiner Stelle würde ihn schnell essen, bevor er erstarrt.«
Linnea bereute sofort, dass sie das Mädchen angeschnauzt hatte. Aber wenn es nach Maja ginge, gäbe es von morgens bis abends nur Leberpastetenbrote, und das konnte nicht gesund sein. Während Maja am Esstisch hockte und schmollend in ihrem Haferbrei stocherte, stand Linnea in der offenen Küche mit Aussicht über die Einfamilienhäuser in Valby und schmierte Pausenbrote. Wieder einmal überkam sie das dringende Bedürfnis, die Doppelhaushälfte im Cæciliavej mit der Schaukel im Garten und der Katzenklappe in der Haustür einfach zu verlassen, und die eigene, minimalistisch eingerichtete Wohnung in der Knabrostræde mit den immer noch unausgepackten Umzugskartons und der Matratze auf dem Boden erschien ihr plötzlich wie der Ort auf der Welt, an dem sie am allerliebsten wäre.
Die ganze Aktion war typisch für Thor und seine unkomplizierte Sicht auf alle Dinge. Seinetwegen steckte sie nun von Paracetamol betäubt bis über beide Ohren in Haferbrei und Leberpastete.
Thor und Linnea waren sich zum ersten Mal kurz nach ihrer Ankunft in Kopenhagen begegnet. Die gegenseitige Anziehung war stark, allerdings nur so lange, bis Thors Tochter ins Bild kam. Zu dieser Zeit konnte Linnea ihr Leben unmöglich länger als fünf Tage im Voraus planen und beendete das Verhältnis unter dem Vorwand, in San Francisco warteten zu viele offene Angelegenheiten auf sie. Was nicht mal gelogen war, denn damals lebte ihr Freund Phil noch immer in der gemeinsamen Wohnung und wunderte sich darüber, was sie so lange im kleinen Dänemark hielt, für das sie doch sonst immer nur Gleichgültigkeit übriggehabt hatte.
Seitdem war ziemlich viel passiert, und nun saß sie hier mit einem festen Job und einer festen Beziehung, glücklicherweise aber auch mit einer Wohnung in der Innenstadt. Sie war Linneas private Höhle, in der sie sich nach wie vor heimischer fühlte als in Thors gemütlichem, aber
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