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Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Titel: Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Bødker
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ihnen versprüht.«
    Nikolajsen stieß ein Grunzen aus, aber ob es sich auf ihren Kommentar bezog oder ob er noch immer wütend auf sie war, ließ sich nicht bestimmen. Als die drei Leichen gestern im Rechtsmedizinischen Institut angekommen waren, waren sie bereits so verwest gewesen, dass man sofort entschieden hatte, keine normale Obduktion durchzuführen. Sie mussten für die Angehörigen freigegeben werden, damit sie beerdigt werden konnten. Aber da es sich um einen Kriminalfall handelte, zog Nikolajsen es vor, dass sie sich selbst einen Eindruck davon verschafften, ob alles in Ordnung war, ehe sie die Leichen weiterschickten. Er legte Wert darauf, sich nichts zuschulden kommen zu lassen, und opferte gern sein Wochenende dafür. Die Toten waren zur MRT in den Keller geschickt worden, denn selbst eine Leiche, die so verwest war, dass die Hirnmasse wie grüne Grütze aus ihr herausfloss, wenn man den Schädel öffnete, konnte noch mit überraschend gutem Ergebnis gescannt werden. Und anschließend bat man Linnea, noch einen Blick darauf zu werfen.
    Als Forensische Anthropologin führte sie normalerweise keine Obduktionen durch, aber wenn die Weichteile einer Leiche so zerstört waren, dass sie sich kaum noch untersuchen ließen, konnte sie helfen, indem sie eventuelle Verletzungen am Skelett untersuchte. Üblicherweise legte sie dann die Knochen frei, die von Interesse waren, und nahm sie heraus, oder sie rekonstruierte die beschädigten Teile und analysierte die Daten, die sie vom Skelett als Ganzem sammeln konnte. Dadurch konnte sie feststellen, ob Alter, Geschlecht und Körperbau mit den vorliegenden Informationen zu den Toten übereinstimmten und ob die Verletzungsarten den Beschreibungen auf den Leichenpässen entsprachen. Aber sie musste ganz sicher sein, dass sie sich nicht geirrt hatte.
    »Ich schicke sie zum Abkochen«, sagte sie. »Dann kann ich sie besser untersuchen, falls Sie einverstanden sind. Wie Sie sehen können, gibt es deutliche Läsionen an der Achillessehne, und ich würde den Unterschenkelknochen gern zur osteologischen Untersuchung einschicken.«
    Nikolajsen nickte widerwillig.
    »Wenn Sie das für nötig halten. Aber es ist ja nur eine Routineuntersuchung. Die Polizei in Somalia hat den Fall bereits aufgeklärt, und ich will nur sichergehen, dass die Papiere stimmen.«
    »Ich weiß. Aber da ist etwas, was mich irritiert.«
    »Wenn Sie auf Unstimmigkeiten stoßen, könnte das natürlich auch an einer falschen Übersetzung liegen.«
    Er sah sie gutmütig an und deutete auf die Leichenpässe.
    »Sie sollten nicht glauben, dass die Leute da unten nicht in der Lage wären, ordentliche Polizeiarbeit zu leisten, nur weil sie schwarz sind.«
    Nikolajsen ließ seine Brille wieder auf die Brust fallen und nickte Linnea aufmunternd zu. Eilig fügte er hinzu, dass sie natürlich alles veranlassen sollte, was sie für notwendig erachtete. Bestimmt damit es nicht so klang, als würde er ihren Wunsch nach einer umfassenderen Untersuchung nur aus finanziellen Gründen infrage stellen.
    Linnea sah Nikolajsen den Gang hinunter verschwinden und wusste nicht, ob sie sich über seine Andeutung bezüglich ihrer Vorurteile ärgern sollte oder über seine völlige Unwissenheit amüsieren.
    Bei Gelegenheit sollte sie ihm vielleicht einmal von den wenigen Erlebnissen aus ihrer Kindheit in Kenia erzählen, die sie noch immer klar vor Augen hatte. Sie war in Nairobi geboren worden, wo ihr Vater als Berater für ein dänisches Entwicklungshilfeprogramm tätig gewesen war und ihre Mutter den Grundstein für ein Leben als frustrierte Hausfrau gelegt hatte. Nairobi war natürlich vergleichsweise fortschrittlich – abgesehen von den ewigen Problemen mit Stromausfällen und einer Infrastruktur, die dem explosionsartigen Wachstum der Stadt in den Jahren nach Kenias Unabhängigkeit nicht standhalten konnte. Gleichzeitig war es die größte Stadt des Landes und auch als »die grüne Stadt in der Sonne« bekannt. Auf Linnea, die in einem wohlhabenden Viertel lebte und von Gärtnern, Zimmermädchen, Nannys und europäischen Entwicklungshelfern umgeben war, wirkte die Stadt ungefährlich, wie ein Inbegriff der Geborgenheit. Bis zu jenem Tag, als Linnea ihren Vater nach Kibera begleitete, wo er ein lokales Projekt besuchte.
    Zu dieser Zeit hatte sich der Vorort noch nicht zu einem der größten Slums Afrikas entwickelt, und die Mehrzahl der Bewohner gehörte dem Kikuyu-Stamm an. Normalerweise nahm ihr Vater sie nie irgendwohin

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