Bezugspunkt Atlantis
Helmlautsprechern dröhnte eine fremde Stimme auf. Es mußte sich um einen Europäer handeln. Er sprach das allgemeingültige Englisch mit französischem Akzent.
»Vortriebszentrale an GWA-Expeditionsleiter, Brigadegeneral HC-9. Können Sie mich hören?«
Ich bestätigte sofort den Empfang.
»Danke, Sir. Wir sind unterhalb Ihrer großen, für den Start vorgesehenen Höhle. Vor uns liegt der unterirdische See, rechts von uns führt die natürliche Felsrampe nach oben zum Absprungraum. Darunter liegen zahlreiche Skelette. Sie sind gewissermaßen kalkkonserviert. Wollen Sie sich die Frühzeitbewohner Ihres Ankunfts- und Startplatzes ansehen? Es dürfte für Sie interessant sein.«
Ich überlegte nicht lange. Im tiefsten Unterbewußtsein hatten Hannibal und ich längst mit derartigen Funden gerechnet.
»Alarmieren Sie die Historiker. Ärzte mit paläo-medizinischen und paläobiologischen Erfahrungen sind erforderlich.«
»Schon erledigt, Sir. Professor Tanahoyl ist hier. Wir haben die Arbeiten vorübergehend eingestellt.«
Ich seufzte gottergeben. Professor Dr. Ambrosius Tanahoyl, der Mann mit dem atlantischen Inselkomplex und einem unerhörten Fachwissen, hatte uns gerade noch gefehlt.
Während der ersten Expedition hatte er einige vorgefaßte Meinungen gründlich revidieren müssen. Bei den Ereignissen in der Parallelzone des Ersten Weltkriegs war er kaum in Erscheinung getreten, da »diese Beinahe-Jetztzeit nicht seinem Fachgebiet entspräche«.
Aber nun schien er wieder voll in Aktion zu treten.
Immerhin – wenn jemand das noch bestehende Rätsel lösen konnte, dann war es »Ambro«, wie wir ihn nannten. Die Urzeit des Planeten Erde war »seine« Epoche. Wenigstens nahm er es an.
2.
Ich wußte nicht, was mich mehr faszinierte: Tanahoyls schulter lange, schneeweiße Haare, seine mächtige Buckelstirn über gro ßen, hellblauen Augen, oder die Überreste eines Menschen, der vor vielen Jahrzehntausenden gestorben war.
Ambros grollender Baß übertönte das Arbeitsgeräusch der Maschinen. Als sich der Historiker aufrichtete und mir sein mahagonifarbenes Gesicht zuwandte, wußte ich auch ohne telepathische Sondierung, daß die Ergebnisse seiner stundenlangen Untersuchungen für uns unangenehm waren.
»Einwandfrei Menschen aus der Atlantischen Epoche«, erklär te der erstaunlich jung wirkende Siebzigjährige. Anfänglich hatten wir ihn nicht in den Einsatz mitnehmen wollen. Dann hatte er uns bewiesen, daß siebzig Jahre kein Alter sind.
»Wie nennen Sie Ihre niedlichen Spielzeuge, junger Mann?« fügte Tanahoyl anzüglich hinzu. Er konnte zynisch und im Ausdruck von beißender Schärfe sein; manchmal aufbrausend und polternd, dann wieder der nervtötenden Schweigsamkeit huldigend.
»Spielzeuge?« wiederholte ich geistesabwesend. »Sollten Sie Waffen meinen, dann …«
»Eben die meine ich«, dröhnte seine Stimme.
Er schlug die zur Faust geballte Rechte in die hohle Hand; ei ne für Ambro ungewöhnliche Ausdrucksform innerer Erregung.
»Waffen, Herr General! Der Hitzeschwall, der den Körper dieses Vorzeitmenschen verunstaltete, daß man es heute noch einwandfrei erkennen kann, dürfte zweifellos aus einem marsianischen Thermostrahler abgefeuert worden sein. Was glauben Sie wohl, Sir, wer auf den bewußten Knopf gedrückt hat?«
Ich schaute auf ihn hinunter. Fettleibig, fast so breit wie hoch, dennoch nicht kurzatmig, stand er vor mir und sah erwartungsvoll zu mir empor.
»Stop, von hier an gehen Sie fehl«, warf Professor David Goldstein, unser Hyperphysiker und Pilot des
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