Bezugspunkt Atlantis
1.
Wie oft wir uns gegenseitig vor schweren Verletzungen oder tödlichen Unfällen bewahrt hatten, konnte niemand mehr genau sagen. Es gab darüber keine Statistiken, sondern lediglich knappe Hinweise jener Männer, die den gefährlichen Situationen gerade noch hatten entgehen können.
Diesmal war Palore Mnakoro der Glückliche, der von einer kräftigen Hand am Arm erfaßt und zurückgerissen wurde.
Die über uns lastende Felsdecke, seit Tagen von Sprengungen, Bohrungen und Hyperschall-Glättungsmaschinen erschüttert, hatte erneut nachgegeben und tonnenschwere Kalksteinblöcke abgeregnet.
Ich richtete mich neben der Planierfräse auf, schüttelte kleine re Trümmerstücke von meinem Schutzanzug und versuchte, die dichten Staubwolken mit den Blicken zu durchdringen.
In den Lautsprechern meines Funkhelms vernahm ich vorerst nur die Verwünschungen des Fahrers, dessen Baumaschine zur Hälfte verschüttet worden war. Der Mann war demnach noch gesund, und nur das zählte in diesem Labyrinth.
Das Höhlensystem auf der afrikanischen Seite der Straße von Gibraltar war im Jahre 2009 von einer Unterwasserexpedition entdeckt worden. Es war einige Jahrtausende lang der Aufmerksamkeit entgangen, weil man es nur durch einen unterseeischen Kanal erreichen konnte. Dieses Loch in der steil abfallenden Felsküste des Rif-Gebirges hatte einige Sporttau cher gereizt. Nach ihnen waren Fachwissenschaftler gekommen – und dann wir, die Männer der Geheimen Wissenschaftlichen Abwehr.
In meinen Helmlautsprechern dröhnten weitere Stimmen auf. Eine davon mußte Palore Mnakoro gehören, dem Chef der Afrikanischen Zentralabwehr. Diese schlagkräftige Geheimdienstorganisation unterstand allein der Regierung der Afrikanischen Staatenföderation in Johannesburg.
General Arnold G. Reling, Oberbefehlshaber der GWA, war glücklich, bei seinem afrikanischen Kollegen nicht nur Gehör, sondern auch aktive Unterstützung gefunden zu haben.
Wenn Mnakoro verschüttet worden wäre, hätten wir vor der Weltöffentlichkeit Farbe bekennen und erklären müssen, warum wir mit einem ungeheuren Aufwand an Fachkräften und Material ein bis vor wenigen Jahren unbekanntes Höhlensystem westlich der Bucht von Ceuta von der Oberfläche her aufgebrochen hatten.
Nichtorientierte Menschen mußten unsere Maßnahmen als wahnwitzig ansehen. Wenn wir erklärt hätten, dort wichtige prähistorische Funde aus der Epoche des Erdteils Atlantis gemacht zu haben, hätte man es notfalls noch akzeptiert; vorausgesetzt, wir hätten die angeblichen Forschungen in einem vernünftigen Rahmen ablaufen lassen.
Da wir aber keine Zeit mehr hatten, die Hohlräume im Kalksteinmassiv nördlich des »Dschebel Musa« von nur wenigen Fachleuten und einigen Spezialmaschinen aufbrechen zu lassen, waren wir mit einer wahren Völkerwanderung an Spezialisten erschienen. Der Gerätepark vergrößerte sich täglich. Ferner ließen die drei Elitedivisionen der afrikanischen Völkergemeinschaft ebenfalls darauf schließen, daß wir nicht nur nach einigen wertvollen Vasen aus der grauen Vorzeit suchten.
Reling hatte einige Zeit gezögert, ob er der Weltöffentlichkeit die schreckliche Wahrheit unterbreiten sollte oder nicht.
Wir hatten ihn beschworen, das Vorhaben noch aufzuschieben, denn im derzeitigen Stadium der Ereignisse konnten wir alles gebrauchen, nur keine Panikreaktion der aufgeschreckten Völker.
Es ging um die Existenz der Menschheit; dies jedoch in einem Sinn, der selbst phantasievollen
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