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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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regelmäßigeren Arbeitszeiten hatte, war er für das Füttern des Katers verantwortlich …
    Arthur stand unter der Dusche. Einer eiskalten Dusche. Er lehnte seinen Kopf an die Fliesen in der Ecke und spürte beim Zurücktreten einen Grat, der sich in die Haut seiner Stirn gedrückt hatte. Er hatte einen rauen Hals. Seine Hand tat weh – mein Gott, was hatte er mit seiner Hand angestellt? Seine Knöchel waren wund gescheuert und brannten, waren blutig unter dem kalten Sprühnebel des Duschkopfs. Er drehte das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Über das ganze Waschbecken waren rote Punkte verteilt, und Arthur stellte fest, dass jemand mit der Faust gegen den Badezimmerspiegel gedonnert hatte. Er war nicht zerbrochen, hatte aber an einer Ecke einen Sprung und baumelte von der Gleitschiene des Badezimmerschranks.
    Er wickelte sich ein Handtuch um und öffnete die Tür.
    Ray Harryhausen lag wie hingegossen als pelzige Masse mitten im Flur, sodass er aussah wie ein gestreifter Ziegelstein mit einem Katzenkopf.
    »Hast du Hunger?«, fragte Arthur ihn. »Habe ich dich gefüttert? He, Harry?«
    Dass Harryhausen, der einen Hang dazu hatte, entweder auf der faulen Haut zu liegen oder zu schlafen, in der Mitte des Flurs lag, war nicht unbedingt merkwürdig, aber irgendetwas stimmte nicht. Mit ihm stimmte etwas nicht. Arthur und Harry hatten einander nie leiden können – Harry war eigentlich Amys Katze und ihr Mitbewohner schon Jahre, bevor Arthur des Wegs kam …
    Amys Katze …
    Harryhausen gab einen fürchterlichen, entsetzlichen Laut von sich, und Arthur sank auf Knien auf den Teppich. Alles, was an diesem Tag passiert war, alles, was er verloren hatte, überschwemmte ihn erneut wie ein Albtraum: Max, der ihn zum Krankenhaus und dann zum Leichenschauhaus fuhr. Wo er dann stand, während Stantz ihm mit rotem Gesicht erklärte, dass Amy während der Arbeit an einem Skelett einen Kurzschluss verursacht hatte und zum Schalter ging, wo ein Draht – entweder alt oder abisoliert – Arthur konnte es nicht verstehen, wollte es auch gar nicht –, wo Drähte aufeinandertrafen. Elektronen flossen. In ihre Fingerspitze (ihres linken Zeigefingers, er hatte ihn tausend Mal geküsst) und ihren Unterarm hinauf (blasse Unterseite, violette Venen) und durch ihren Bizeps, ihre Schulter. Direkt hinunter zum Herzen. Fibrilliert , sagten sie.
    Fibrilliert .
    Stantz redete unentwegt – über das Geräusch und den Rückstoß und den Geruch –, und Max sagte ihm, er solle verdammt noch mal den Mund halten, und das Leichenschauhaus war kalt, und Amy war blau und matt und nicht Amy. Ihre linke Hand war entzündet und geschwollen. Verbrannt.
    Hatte sie ein Testament?
    Ich weiß es nicht, sagte Arthur. Zum Frühstück hatte sie gern Grapefruit und Kaffee.
    Wollte sie beerdigt oder verbrannt werden?
    Ich weiß es nicht, sagte er.
    Sie trug im Bett seine alten Konzert-T-Shirts und sang für ihn Schlaflieder als Axl Rose ( Good night to the jungle, Baby! ) oder Mick Jagger ( Hey! You! Get into my bed! )
    Irgendwelche Angehörigen?
    Alle gestorben, sagte er. Nur mich. Nur sie und ich.
    Was haben Sie mit der Leiche vor?
    Max brachte ihn nach Hause – Max brachte ihn nach Hause und brachte ihn ins Bett, und Arthur war sich ziemlich sicher, dass Max ihm noch eine Weile die Hand gehalten und ihm einen Kuss auf die Stirn gegeben hatte – dann war Max gegangen.
    Harryhausen gab wieder diesen fürchterlichen Laut von sich. So hatte Arthur ihn noch nie zuvor schreien hören. Jammern und fauchen, das schon, aber das hier war etwas ganz anderes. Das hier war tief und wild, es hörte sich an, als presste er es schmerzhaft aus seinen winzigen Katzenlungen heraus. Als risse es ihm seine Kehle auf.
    Arthur setzte sich auf den Teppich und streckte im Flur, im Dunkeln, seine Beine von sich, während kaltes Wasser aus seinem Haar hinunter auf seine nackte Brust tropfte und er zu schlucken versuchte, aber keine Spucke hatte. Alles an und in ihm schmerzte.
    Er taumelte nach vorn, und sein Körper versuchte sich zu übergeben, aber er hatte nichts im Magen. Harryhausen sprang fauchend auf die Beine und tapste davon. Sein gewaltiger wuscheliger Bauch schwang von Seite zu Seite.
    Arthur wusste überhaupt nichts. Er wusste nicht, ob Amy in der Erde ruhen oder als Flamme in eine Million Teilchen verpufft werden wollte. Er wusste nicht, ob sie ein Testament gemacht hatte, oder ob es ein Objekt, eine Erinnerung gab, das oder die ein anderer in ihrem Namen

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