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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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Paul Murray
     
    An Evening of Long
Goodbyes
     
    Roman
     
    Aus dem Englischen von Wolfgang
Müller
     
     
    Eins
     
    DRAUSSEN VOR DEM ERKERFENSTER blies ein
schwarzer Wind. Schon den ganzen Nachmittag spielte er seine Spielchen.
Haufenweise klaubte er Laub auf und scheuchte es über den Rasen, wirbelte die
Wetterfahne vom alten Thompson mal in die eine, mal in die andere Richtung, und
riss raffgierig an Bels rubinrotem Ledermantel, die sich die Einfahrt
hinunterkämpfte, um pünktlich zu ihrem Vorsprechtermin zu kommen. Hin und wieder
hörte ich, wie er hinter dem Haus durch das Turmgerippe heulte. Dann zuckte ich
zusammen und schaute kurz vom Bildschirm auf. Wenn wir jetzt in Kansas wären,
dachte ich damals, könnten das die Vorboten eines furchtbaren Wirbelsturm sein.
Aber wir waren nicht in Kansas, und was der Wind uns da hereinwehte, das war
schlimmer als Hexen oder geflügelte Affen. Denn heute war der Tag von Franks
Ankunft in Amaurot.
    Es war
jetzt nach vier, aber ich lag immer noch im Morgenmantel auf der Chaiselongue
und erholte mich bei einem alten Schwarzweißfilm mit Mary Astor, die eine ganze
Kollektion Hüte vorführte. Am Abend zuvor war ich mit Pongo McGurks aus gewesen
und hatte es wohl ein bisschen übertrieben. Jedenfalls war ich mit rasenden
Kopfschmerzen und in einem Sarong, der nicht meiner war, auf dem Billardtisch
aufgewacht. Inzwischen fühlte ich mich schon wieder besser. Tatsächlich fühlte
ich mich, als ich die heilkräftige Spezial-Consomme löffelte, die Mrs P für
mich gemacht hatte, schon wieder ganz im Reinen mit der Welt. Ich dachte
gerade, dass niemand einen Hut so trug wie Mary Astor, als ich ihn
beziehungsweise es zum ersten Mal zu Gesicht bekam. Es war eine
große, entfernt menschlich aussehende Gestalt, die sich hinter dem Glasfries
zur Halle bewegte. Sie ähnelte keiner der Gestalten, die von Rechts wegen dort
sein konnten - weder der schlanken Figur Bels noch der gedrungenen, einem
Trapez gleichenden Dienstbotenfigur von Mrs R Die Gestalt sah massig und auf
groteske Weise aufgebläht aus, wie einer von diesen Ikea-Kleiderschränken zum
Selberaufbauen, die ich in der Fernsehwerbung gesehen hatte. Ich hievte mich
auf die Ellbogen und rief: »Wer ist da?«
    Keine
Antwort; plötzlich war die Gestalt verschwunden. Leise seufzend stellte ich
meine Consomme ab. Ich bin nicht so eitel, mich für generell heldenhafter zu
halten als meinen nächsten Nachbarn, aber das Heim eines Mannes ist seine Burg,
und wenn sich schwedisches Mobiliar darin herumtreibt, muss er geeignete
Maßnahmen ergreifen. Ich band den Gürtel meines Morgenmantels zu, nahm den
Schürhaken und ging langsam zur Tür. Die Halle war leer. Ich hielt eine Hand
ans Ohr, hörte aber nur das Geräusch des Hauses selbst, das wie ein endloses
Atmen zwischen den hohen Decken und hölzernen Dielen widerhallte.
    Fast schon
glaubte ich, mir alles nur eingebildet zu haben. Doch dann fiel mir dunkel ein,
dass erst kürzlich jemand von einer Einbruchsserie erzählt hatte, und ich
setzte meinen Weg durch die Halle fort - nur um sicherzugehen. Es gab jede
Menge Nischen, in denen sich Halunken verstecken konnten. Den Schürhaken einsatzbereit
für den Fall, dass er aus dem Hinterhalt zuschlug, kontrollierte ich die
Bibliothek und das Musikzimmer. Langsam drehte ich den Türknauf, stieß dann
ruckartig die Tür auf und fand - nichts. Niemand lauerte hinter Brancúsis
Janus, niemand kauerte unter dem wuchernden Weihnachtsstern meiner Mutter.
Einer Eingebung folgend probierte ich die Flügeltür zum Ballsaal. Sie war
verschlossen, natürlich, sie war immer verschlossen.
    Erleichtert
ging ich Richtung Küche, um auch dort noch einen flüchtigen Blick
hineinzuwerfen und mich gleichzeitig nach etwas Gebäck oder Ähnlichem als
Nachtisch für meine Consomme umzusehen, als ich hinter mir ein Geräusch hörte.
Ich wirbelte herum, gerade als die Tür zur Garderobe aufgerissen wurde. Und da
war sie, die grässliche Gestalt, mit tapsigen Schritten kam sie auf mich zu.
Ohne das angenehm Trennende der Milchglasscheibe war der Anblick noch
schauerlicher. Mein Mut verließ mich, der Arm samt Schürhaken erstarrte mitten
im Schlag ...
    »Charles!«,
kreischte meine Schwester, die plötzlich wie ein Geist neben dem Ding
aufgetaucht war.
    »Hooo«,
knurrte das Ding, dann hatte ich meine Sinne wieder beisammen und verpasste ihm
einen kräftigen Schlag auf die Schläfe. Als es dumpf auf dem Boden aufschlug,
war aus dem Zimmer nebenan deutlich das

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