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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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daß du im Taxi die Handtasche auf meine Knie gelegt hast; schwer ist sie, aber nicht schwer genug - was willst du eigentlich mit dem Ding?«
    »Ich will den Dicken da auf dem Schimmel erschießen. Siehst du ihn, kennst du ihn noch?«
    »Glaubst du, ich würde ihn je vergessen? Er hat das Lachen in mir getötet, hat die verborgene Feder im verborgenen Uhrwerk
    zerbrochen; er hat den blonden Engel hinrichten lassen, Ediths Vater verschleppt, Groll und den Jungen, dessen Namen wir nie erfahren haben; er hat mich gelehrt, daß eine Handbewegung das Leben kostet; er hat aus Otto den gemacht, der nur noch Ottos Hülle war - und trotzdem: ihn würde ich nicht erschießen. Ich habe mich oft gefragt, warum ich in diese Stadt gekommen bin; um reich zu werden? Nein, du weißt es; weil ich dich liebte? Nein - denn ich kannte dich noch nicht und konnte dich noch nicht lieben; aus Ehrgeiz? Nein. Ich glaube, ich wollte nur über sie lachen, wollte ihnen am Ende zurufen: es war doch nicht ernst; wollte ich Kinder haben? Ja. Ich hatte sie; zwei starben jung, einer fiel, fremd war er mir, noch fremder als die jungen Herren, die da unten jetzt ihre Fahnen hochnehmen; und der andere Sohn? Wie geht es dir, Vater? Gut und dir? Gut, danke, Vater. Kann ich etwas für dich tun? Nein, danke, ich habe alles. Abtei Sankt Anton? Verzeih, daß ich lache, Liebste; Staub; erregt nicht einmal Sentimentalität, viel weniger noch Gefühle; willst du noch Wein?«
    »Ja, bitte.«
    Ich verlaß mich auf den Paragraphen einundfünfzig, Liebster; dehnbar sind die Gesetze - sieh da unten, unser alter Freund Nettlinger; klug genug, nicht in Uniform zu erscheinen, aber doch da, um Hände zu drücken, Schultern zu klopfen, Fahnen zu betasten; wenn schon, dann würde ich lieber diesen Nettlinger erschießen - aber vielleicht überlege ich es mir und schieße nicht in das Museum da unten; der Mörder meines Enkels sitzt nebenan auf dem Balkon - siehst du ihn: dunkel gekleidet, anständig, anständig; der denkt anders, handelt anders, plant anders; der hat was gelernt; spricht fließend Französisch, Englisch, kann Latein und Griechisch und hat schon das Lesezeichen für morgen in seinem Schott zurechtgemacht: fünfzehnter Sonntag nach Pfingsten; ›welche Präfation?‹ hat er ins Schlafzimmer seiner Frau hinübergerufen. Ich erschieß nicht
    den Dicksack da auf dem Schimmel; ich schieß nicht ins
    Museum - nur eine kleine Wendung, und höchstens sechs Meter Entfernung, eine vorzügliche Treffsicherheit; wozu soll mein siebzigjähriges Leben sonst noch nütze sein; nicht Tyrannenmord, sondern Anständigenmord - der Tod wird das große Staunen in sein Gesicht zurückbringen, komm, zittere nicht, Liebster, ich will das Lösegeld zahlen; das macht mir Spaß, ruhig atmen, ins Ziel gehen, Druckpunkt nehmen - du brauchst dir nicht die Ohren zuzuhalten, Liebster, das knallt nicht lauter, als wenn ein Luftballon platzt; Vigil des fünfzehnten Sonntags nach Pfingsten...
13

    Die eine war blond, die andere braun, beide waren schlank, beide lächelnd, und beiden war rotbrauner Tweed zu kleidsamer Tracht angemessen worden, beiden wuchs aus schneeweißem Kragen der hübsche Hals wie der Schaft einer Blume hervor; sie sprachen es fließend und akzentfrei: Französisch und Englisch, Flämisch und Dänisch und sprachen fließend und akzentfrei auch ihre Muttersprache: Deutsch; hübsche Nonnen des Nichts, auch des Lateinischen mächtig, warteten sie im Personalraum hinter der Kasse, bis die Besucher zu Gruppen von zwölf sich an der Barriere gesammelt hatten; sie drückten mit spitzem Absatz ihre Zigarettenkippen aus, erneuerten mit gekonntem Schwung ihr Lippenrot, bevor sie nach draußen traten, die Nationalität der Führungssüchtigen zu ermitteln; lächelnd die Frage nach Herkunftsland und Muttersprache, akzentfrei, und die Führungssüchtigen taten es mit erhobenem Finger kund: sieben sprachen Englisch, zwei Flämisch, drei Deutsch; dann noch die fröhlich gestellte Frage, wer des Lateinischen mächtig sei; zögernd hob Ruth ihren Finger; nur einer? Sanft nur erschien auf dem hübschen Gesicht ein Schimmer von Trauer über die geringe Ausbeute an humanistisch Geschulten, nur eine konnte die metrische Exaktheit würdigen, mit der sie den Grabspruch zitieren würde? Lächelnd, die Stablampe wie einen Degen gesenkt, stieg sie als erste die Treppe hinab; es roch nach Beton und Mörtel, roch gruftig, obwohl ein leichtes Surren vom Vorha ndensein einer Klimaanlage kündete;

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