Billard Um Halb Zehn: Roman
Joseph. »Wie gefällt dir mein Plan, Marianne?«
»Es ist mir nicht gleichgültig, was du tust«, sagte sie, »Statik zu studieren ist sicher gut, fragt sich, was du mit deinen Kenntnissen anfangen willst.«
»Bauen oder sprengen, ich weiß es noch nicht«, sagte Joseph.
»Dynamit ist doch sicher veraltet«, sagte Ruth, »es gibt bestimmt bessere Mittel; weißt du noch, wie lustig Vater war, als er noch sprengen durfte? So ernst ist er eigentlich erst,
seitdem es nichts mehr zu sprengen gibt... wie findest du ihn, Marianne? Magst du ihn?«
»Ja«, sagte Marianne, »ich mag ihn sehr; ich hatte ihn mir schlimmer vorgestellt, kälter, und ich hatte fast Angst vor ihm, bevor ich ihn kannte, aber ich glaube, Angst ist das, was man am wenigsten vor ihm zu haben braucht; ihr werdet lachen, aber ich fühle mich geschützt in seiner Nähe.«
Joseph und Ruth lachten nicht; sie nahmen Marianne in die Mitte und gingen weiter; vor der Tür zum Cafe Kroner hielten sie an, die beiden Mädchen betrachteten sich noch einmal im Spiegelglas der Tür, die innen mit grüner Seide bespannt war, strichen sich noch einmal übers Haar, bevor Joseph ihnen lächelnd die Tür aufhielt.
»Mein Gott«, sagte Ruth, »habe ich einen Hunger, sicher hat Großvater uns was Gutes bestellt.«
Frau Kroner kam mit erhobenen Armen auf sie zu, an grüngedeckten Tischen vorbei, über den grünen Läufer; ihr silbriges Haar war in Unordnung, der Ausdruck ihres Gesichts kündigte Unheil an, ihre wäßrigen Augen schimmerten feucht, ihre Stimme zitterte in ungespielter Erregung.
»Sie wissen es also noch nicht?« fragte sie.
»Nein«, sagte Joseph, »was?«
»Es muß etwas Schreckliches passiert sein; Ihre Großmutter hat die Feier abgesagt - vor wenigen Minuten rief sie an; Sie möchten ins Prinz Heinrich rüberkommen, auf Zimmer 212. Ich bin nicht nur tief beunruhigt, sondern auch sehr enttäuscht, Herr Fähmel, ich würde sagen beleidigt, wenn ich nicht annehmen müßte, daß gewichtige Gründe vorliegen; für einen Kunden, der fünfzig, einundfünfzig Jahre Stammgast ist, hat man natürlich eine Überraschung bereitet, ein Werk - nun, ich werde es Ihnen zeigen; und was soll ich der Presse sagen und dem Rundfunk, die gegen neun hier erscheinen wollen, nach der intimen Feier -
was soll ich sagen?«
»Hat Ihnen meine Großmutter den Grund nicht genau gesagt?«
»Unpäßlichkeit - muß ich annehmen, daß es die - die chronische, eh - Unpäßlichkeit Ihrer Großmutter ist?«
»Wir wissen von nichts«, sagte Joseph. »Bitte würden Sie die Geschenke und Blumen hinüberbringen lassen?«
»Ja, gern, aber wollen nicht Sie sich wenigstens meine Überraschung ansehen?«
Marianne stieß ihn an, Ruth lächelte, und Joseph sagte: »Ja gern, Frau Kroner.«
»Ich war ja noch ein junges Ding«, sagte Frau Kroner, »als Ihr Großvater in die Stadt kam, gerade vierzehn, und tat damals Dienst hier vorn am Küchenbüfett; später hab ich servieren gelernt, und was glauben Sie, wie oft ich ihm morgens den Frühstückstisch gedeckt habe - wie oft ich den Eierbecher wegnahm und ihm die Marmelade hinschob, und wenn ich mich dann vorbeugte, um den Käseteller wegzunehmen, warf ich einen Blick auf den Zeichenblock; mein Gott, man nimmt doch Anteil am Leben seiner Kunden, glauben Sie nicht, daß wir Geschäftsleute so gefühllos sind - und denken Sie, ich hätte vergessen, wie er damals über Nacht berühmt geworden ist und den großen Auftrag bekam; vielleicht denken die Kunden: man geht ins Cafe Kroner, bestellt sich was, zahlt und geht; aber glauben Sie doch nicht, daß so ein Schicksal spurlos an einem vorübergeht...«
»Ja, natürlich«, sagte Joseph.
»Oh, ich weiß, was Sie denken: die Alte soll uns doch verschonen, aber ist es zuviel verlangt, wenn ich Sie bitte, sich meine Überraschung einmal anzusehen und Ihrem Großvater auszurichten, daß ich mich freuen würde, wenn er käme und es sich ansähe? Für die Zeitung ist es schon fotografiert worden.«
Sie gingen langsam hinter Frau Kroner her, über den grünen Läufer zwischen den grüngedeckten Tischen dahin, blieben
stehen, als Frau Kroner stehenblieb, und verteilten sich unwillkürlich um den großen viereckigen Tisch, der mit einem Leinentuch bedeckt war; das Tuch verhüllte etwas, das von ungleichmäßiger Höhe zu sein schien.
»Es trifft sich gut«, sagte Frau Kroner, »daß wir zu vieren sind; darf ich Sie bitten, je eine Ecke des Tuchs in die Hand zu nehmen und, wenn ich ›hoch‹ sagte,
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