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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Gemeißelt in Stein, gegraben in Erz, du, unser Held, dir schlägt unser Herz: Hindenburg! Vorwärts!

    Johanna riß dem Jungen den Zettel aus der Hand, zerriß ihn, streute die Fetzen auf die Straße hinunter, wie Schneeflocken fielen sie vor Gretzens Laden, wo in diesen Tagen kein Keiler hing; höhere Gewalt herrschte.

    Lachen wird nicht genügen, Leonore, wenn sie mein Denkmal enthüllen; bespuck es, Kind - im Namen meines Sohnes Heinrich, im Namen Ottos, der ein so lieber Junge war, und brav, und weil er so lieb war und so brav, so folgsam - mir so fremd wurde, wie kein Mensch auf dieser Erde, und im Namen
    Ediths, des einzigen Lammes, das ich je sah; ich liebte sie, die
    Mutter meiner Enkel, und konnte ihr nicht helfen, konnte dem Tischlerlehrling nicht helfen, den ich nur zweimal sah, und nicht dem Jungen, den ich niemals sah; der uns Botschaften von Robert, Zettel so groß wie Bonbonpapiere, in den Briefkasten warf und dieses Verbrechens wegen in einem Lager verschwand. Robert war immer klug und kühl und nie ironisch; Otto war anders, er zeigte Herz und hatte doch plötzlich vom Sakrament des Büffels gekostet und wurde uns fremd; bespucke mein Denkmal, Leonore, sag ihnen, ich hätte dich darum gebeten; ich kann's dir auch schriftlich geben und meine Unterschrift notariell beglaubigen lassen; du hättest den Jungen sehen müssen, der mich den Satz begreifen machte: Engel stiegen herab und dienten ihm, er war Tischlerlehrling; sie schlugen ihm den Kopf ab; du hättest Edith sehen müssen und ihren Bruder, den ich ein einziges Mal sah, wie er über unseren Hof kam und zu Robert hinaufging; ich stand am Schlafzimmerfenster und sah ihn nur eine halbe Minute lang, und ich hatte Angst; er trug Heil auf den Schultern und Unheil; Schrella, ich hab seinen Vornamen nie erfahren, war wie ein Gerichtsvollzieher Gottes, der für unbezahlte Rechnungen unsichtbare Pfandmarken an die Häuser klebte; ich wußte, daß er meinen Sohn fordern würde, und ließ ihn mit seinen hängenden Schultern über den Hof gehen; den ältesten meiner überlebenden Söhne, begabt; Ediths Bruder pfändete ihn: Edith war anders, ihr biblischer Ernst war so gewaltig, daß sie sich biblischen Humor erlauben durfte; sie lachte mit ihren Kindern inmitten des Bombardements; sie gab ihnen biblische Namen: Joseph und Ruth; und der Tod barg für sie keine Schrecken; sie begriff nie, daß ich so sehr um meine ve rstorbenen Kinder trauerte, um Johanna und Heinrich - sie erfuhr nicht mehr, daß auch Otto starb, der Fremde, der mir am nächsten gestanden hatte; er liebte mein Atelier, meine Zeichnungen, fuhr mit mir auf Baustellen, trank auf Richtfesten Bier, war der Liebling der Bauarbeiter; er wird an meiner Geburtstagsfeier heute abend
    nicht teilnehmen; wieviel Gäste sind geladen? An einer Hand abzuzählen die Sippe, die ich gründete: Robert, Joseph, Ruth, Johanna und ich; auf Johannas Platz wird Leonore sitzen, und was werde ich Joseph sagen, wenn er mit jugendlichem Eifer vom Fortschritt der Aufbauarbeiten in Sankt Anton berichtet; Richtfest Ende Oktober; die Mönche wollen die Adventsliturgie schon in der neuen Kirche singen. Es zittern die morschen Knochen, Leonore, und sie haben meine Lämmer nicht geweidet.
    Ich hätte die Quittung zurückgeben, die roten Siegel erbrechen und vernichten sollen, dann brauchte ich nicht hier zu stehen und auf meine Enkelin zu warten, die hübsche, schwarzhaarige, neunzehn Jahre alte, so alt wie Johanna war, als ich vor einundfünfzig Jahren hier oben stand und sie drüben auf dem Dachgarten sah; ich konnte den Buchtitel erkennen: Kabale und Liebe - oder ist es Johanna, die jetzt drüben Kabale und Liebe liest; ist sie wirklich nicht da, mit Robert immer noch im Löwen beim Mittagessen; hab ich in die Pförtnerloge die obligatorische Zigarre gelegt, bin dem vertraulichen Unter- Männern-Herr- Leutnant-Gespräch entronnen, um hier oben von halb elf bis fünf zu hocken, nur dazusein; bin an Bücherstapeln, an Stapeln frischgedruckter Bistumsblättchen vorbei hier heraufgestiegen; was wird denn samstags nachmittags noch auf weißes Papier gedruckt; Erbauliches oder Wahlplakate für alle die, die vom Sakrament des Büffels gekostet haben? Da beben die Wände, zittern die Stufen, bringen Arbeiterinnen immer neue Stapel, häufen sie bis vor die Ateliertür. Ich lag hier oben, übte mich in der Kunst, nur dazusein; trieb dahin wie im Sog eines schwarzen Windkanals, der mich hinausschleudern würde; wohin? wurde in

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