Bis ans Ende der Welt
Ende der Welt im nächsten Level.
Miriam kam zurück in die Küche.
»Wenn wir uns beeilen, können wir heute Abend noch fahren. Am Morgen sind wir in Sydney.«
»Was kostet das Ticket?«
»Deines 196 Dollar.«
Ralf holte Luft. Da blieb kaum was für Essen und Übernachtung. »Dann... dann bin ich fast pleite.«
»Soll ich dir was leihen?«
Das war jetzt verdammt unangenehm. Aber ohne Geld keine Kristine, kein Dschungel und kein Riff.
»Wäre toll.«
Miriam brachte ihr Moskitonetz nicht mehr unter und wollte es bei Ralf im Rucksack verstauen.
»Geht nicht, ich hab auch keinen Platz mehr.«
»In diesem Riesending - glaub ich nicht. Zeig mal, was du dabeihast.«
»Klamotten, Handtuch, Kulturbeutel, Schlafsack, brauch ich alles.«
»Und was ist da drin?«
Sie zeigte auf das in ein Sweatshirt eingewickelte Fernrohr.
»Äh, ja - ein Teleskop.«
»Ein was?«
»Ein Teleskop, ein Fernrohr eben. Für Astronomie.«
Ralf lüftete kurz das Sweatshirt und gewährte Miriam einen Blick.
»Das ist ja riesig. Ist das nicht furchtbar schwer?«
Natürlich war es schwer. »Nein, geht schon.«
»Für Kristine?«
»Für Kristine und mich.«
Nachdem Miriam das Moskitonetz in ihren Rucksack gequetscht hatte, lief sie in die Küche und kam mit einem braunen Glas zurück. Es hatte einen gelben Deckel, sah ein bisschen nach Instant-Brühe aus.
»Was ist das?«
»Die Lösung deines Hunger- und Geldproblems: Vegemite .«
Ralf sah hinein und wusste nicht so recht: Die Paste machte einen merkwürdigen Eindruck.
Kristine hatte die Oper ziemlich lustlos abgefeiert, okay, die Konstruktion war nicht schlecht, aber bekannt. Die Hafenrundfahrt war auch nicht allzu spannend gewesen. Sie musste entscheiden, wo sie als Nächstes hinwollte. Am Pier waren einige Reisebüros.
Die junge Frau mit Brille und Sommersprossen empfahl Kristine als Ausflugsziel die Blue Mountains. Der Nationalpark biete eine Menge Sehenswürdigkeiten.
»Blaue Berge?«
»Sie haben ihren Namen von den Dämpfen der Eukalyptusbäume, die den Wald blau erscheinen lassen.«
Nach den Tagen an der Küste konnten Berge zwischendurch nicht schaden. Der Haken an der Sache war, dass Kristine noch eine Nacht in Sydney bleiben musste, der Bus ging erst in der Früh. Nun, in Gottes Namen.
Die freundliche Frau buchte für sie das Backpacker, von dem es am nächsten Morgen losgehen sollte. Nachdem Kristine bezahlt hatte, zeigte die Frau die Pension auf der Karte. Sie war im Stadtteil Bondi, nicht weit vom Meer, schön, nicht wahr? Mit einem Lächeln erklärte sie, der Strand von Bondi sei berühmt, Kristine würde ihn lieben, das Beachvolleyballturnier der Olympischen Spiele sei dort ausgetragen worden.
7.
Als der Bus endlich losfuhr, war es längst dunkel. Miriam hatte Ralf den Fensterplatz überlassen, damit er alles sehen konnte, auch wenn das außer Lichtreflexen nicht viel sein würde. Während Miriam in ihrem Horoskopbuch las, betrachtete Ralf aufgeregt jedes Paar Scheinwerfer, jede Laterne und jede Leuchtreklame entlang der Straße. Jetzt ging die Australienreise richtig los.
»Miriam, was war deine Lieblingsfernsehserie, als du ein Kind warst?«
»Pippi Langstrumpf. Die hat in ihrem eigenen Haus gewohnt und gemacht, was sie wollte. Wer ihr blöd kam, wurde vermöbelt. Etwa so...«
Sie begann, Ralf zu kitzeln. Mit übermenschlicher Selbstbeherrschung hielt er durch, ohne zu lachen, bis sie - ziemlich außer Puste - sagte: »Hast du gewusst, dass man kitzlig sein muss, um ein guter Liebhaber zu sein?«
»Ich bin kitzlig, du bist nur zu doof zum Kitzeln.«
Miriam nahm einen neuen Anlauf, Ralf kitzelte zurück, aber bevor er es ihr so richtig zeigen konnte, wurden sie von einem Mann unterbrochen, der mit säuerlicher Miene fragte, ob Miriam Hilfe benötige. Sie lehnte höflich ab und fragte Ralf flüsternd: »Was ist dein Lieblingsfilm?«
So was hatte er nicht, also zuckte er mit den Schultern.
»In welchem hättest du gerne die Hauptrolle gespielt?«
Wusste er auch nicht. »Na ja, in vielen.«
»In Liebesfilmen?«
»Eher nicht.«
Das fehlte noch, in »Ralf, Weltreisender in Sachen Liebe« oder so.
»Was, glaubst du, ist mein Lieblingsfilm? In welcher Rolle kannst du dir mich vorstellen?«
Ralf zögerte. Die Frage hatte irgendeine Bedeutung, so viel war klar. Aber welche? Er kannte Miriam ja kaum, also konnte er sie sich auch in keinem Film vorstellen. Und was Blödes sagen sollte er jetzt besser nicht, so viel war auch klar.
»Na ja, ich weiß
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