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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Riehl
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hätte gar keinen Freund.«
    »Und was sagst du dann?«
    »Am Anfang hab ich Helge gesagt, ich fände ihn ganz nett, aber das war natürlich gelogen: Er ist eine Pest.«
    »Und jetzt?«
    »Gestern hab ich ihm klar gemacht, dass er mich in Ruhe lassen soll. Und siehe da: Am Abend ist er nicht in mein Zimmer gekommen.«
    Weil er ein neues Opfer gefunden hat, dachte Kristine, behielt es aber für sich und fragte stattdessen: »Wie? Hat er dir sonst in der Nacht immer einen Besuch abgestattet?«
    »Nicht in der Nacht, vor dem Schlafengehen. Er wollte mir ein Gedicht machen, über eine Meerjungfrau oder so. Auf Deutsch, sein Englisch ist nicht so gut. Ich verzichte, habe ich gesagt, wenn ich’s sowieso nicht verstehe. Dann hat er Winnie gefragt, ob sie nicht mit ihm Zimmer tauschen möchte, und ihr sogar ein Abendessen dafür angeboten. Da ist sie zum Glück nicht drauf eingegangen. Er hat eine goldene Kreditkarte, der kann sich alles leisten. Ich versteh nicht, wieso der in einem Backpacker übernachtet.«
    »Da lernt man leichter jemanden kennen.«
    »Dann soll er es bei einer anderen probieren, die keinen Freund hat. Hast du einen?«
    Ja, hatte sie. Und er sah genauso aus wie der Typ, der ihr gerade in einem Linienbus entgegenkam! Das war Ralf, kein Zweifel. Er hatte sein Gesicht halb abgewendet, deshalb konnte er sie nicht sehen. Er war’s, aber das war unmöglich.
    »Ich hätte schwören können, dass da eben in dem Bus mein Freund war.«
    »Aber er ist in Deutschland, oder?«
    »Ja, bestimmt.«
    »Ist mir mit John auch schon dreimal so gegangen. Er fehlt dir sehr, stimmt’s?«
    Ja, gerade hatte sie ein Anflug von Sehnsucht berührt. Es wäre nicht schlecht, Ralf hier zu haben. Er war ein netter, gut aussehender Junge und ein bisschen geliebt zu werden war schon schön.

    »Also, Ralfi, lass mich reden, okay?«
    Ralf nickte, was sollte er auch sagen. Sie standen vor Davids Haus, Miriam hatte die Klingel gedrückt, nichts regte sich. Sie klingelte wieder und wieder.
    »Er ist nicht da, Miriam.«
    »Das weiß ich.«
    »Was wollen wir dann hier?«
    »Lass mich machen, ja?«
    »Okay.«
    Eigentlich nicht okay - Ralf war dieser Mädchenschwarm nicht geheuer.
    Ein Fenster ging auf und der Kopf einer Frau erschien. »Was wünschen Sie? Dr. Limb ist nicht zu Hause.«
    »Mrs Mulgrin? Kennen Sie mich noch? Ich bin Miriam, Davids Freundin. Ich habe ihm beim Umzug geholfen, erinnern Sie sich?«
    »Ach, richtig, Sie sind das. Was gibt es?«
    »Ich bin etwas früher als vorgesehen angekommen und David ist noch nicht da. Könnten Sie uns aufmachen?«
    »Kommen Sie rein.«
    An der Haustür musterte Mrs Mulgrin sie genau. Miriam machte ein so herziges Gesicht, dass offenbar nicht einmal Ralfs Laune den Gesamteindruck trüben konnte. Mrs Mulgrin sperrte anstandslos auch Davids Wohnung auf. Als sie sich zum Gehen wandte, fragte Miriam: »Ach, Mrs Mulgrin... Falls David erst morgen kommt: Könnten sie uns für die Zwischenzeit den Schlüssel leihen? Morgen bekommen Sie ihn zurück.«
    Mrs Mulgrin sah Miriam zweifelnd an, legte ihr aber schließlich mit einem leichten Seufzer den Schlüssel in die ausgestreckte Hand. Als sie gegangen war, hielt Miriam ihn Ralf triumphierend vor die Nase.
    »Na?«
    Clever, musste Ralf zugeben.
    »Wir übernachten heute hier. Entlastet deine Reisekasse.«
    Das war ein Argument. Ralf sah sich um - noch nie hatte er in einer Wohnung so viele Bücher gesehen. Sie standen in Holzregalen an der Wand, sogar in Diele und Küche, Bücher über Stalin und Gandhi, über die chinesische Kulturrevolution und antiautoritäre Kindeserziehung, über Partnerpsychologie und Hydrokulturpflanzen.
    »David hat einen Büchertick«, erklärte Miriam, »im Schlafzimmer sind noch mehr.«
    Sie öffnete die Tür. Neben dem Bett stand ein ganzer Stapel.
    »Wann kommt der Mann dazu, mal fernzusehen?«, fragte Ralf und lachte. Miriam lachte mit.
    »Selten«, antwortete sie. »Kannst du dir vorstellen, was das für Arbeit war, all die Bücher in Kisten zu räumen?«
    Ralf wusste nicht, ob er Ja oder Nein sagen sollte, aber sie schien gar keine Antwort zu erwarten.
    »Ich geh duschen. Willst du auch?«
    Moment - was wäre, wenn David plötzlich zur Tür hereinkäme und fragte, was der Typ unter seiner Dusche macht? Aber Ralf musste duschen: Sein T-Shirt klebte wie eine Schnecke am Salatblatt.
    Auf der Fahrt in die City wollte Miriam wissen, wo er Kristine kennen gelernt habe.
    »An der Uni. Wir haben gemeinsam ein Referat vorbereitet.

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