Bis das Glück mich findet
dass der Superstar ihrer Klasse sich für ihren umwerfenden, aber unerreichbaren Bruder interessierte. »Er will nämlich Priester werden.«
»Nein!« Emma riss die Augen auf. »Das ist nicht wahr, oder?«
»Es stimmt«, gab Gabriel zu. »Das ist meine Berufung.«
»Ihr nehmt mich doch auf den Arm, oder?« Emma konnte es nicht glauben.
»Er wird ein ganz wunderbarer Priester werden«, mischte Evelyn sich ein. »Wir sind ja so stolz auf ihn, nicht wahr, Dominique?«
»Absolut«, sagte seine Schwester, wobei der Klang ihrer Stimme ihre Worte Lügen strafte. »Er ist unser ganz persönlicher Superstar.«
»Gott, was für eine Vergeudung!«, sagte Emma, als sie in der darauffolgenden Woche wieder in ihrem Klassenzimmer saßen. »Ich meine, ich fasse es einfach nicht, dass du so einen verboten gut aussehenden Bruder hast, Dominique Brady. Und dass ich ihn noch nie zuvor gesehen habe. Und dass der Kerl Priester werden will! Wird er es denn wirklich durchziehen, was meinst du? Was für ein Verlust für die gesamte weibliche Menschheit.«
Dominique zuckte die Schultern. »Er wollte immer schon Priester werden«, erklärte sie Emma und den anderen Mitschülerinnen, die sich um sie geschart hatten. »Schon als kleiner Junge. Die anderen Jungs spielten Cowboy und Indianer und so Zeug. Er spielte eben Pfarrer, tat so, als würde er die Messe lesen. Er sagt, er hat eine Vision gehabt.«
»Was denn für eine Vision?«, fragte Tanya Johnson atemlos.
»Na, von Gott eben«, erwiderte Dominique achselzuckend. »Er hat uns erzählt, einmal nachts ist Gott in sein Zimmer gekommen und hat zu ihm gesagt, er hätte einen Auftrag für ihn und er solle für ihn arbeiten oder so ähnlich.«
»Glaubst du ihm das denn nicht?«, fragte Natasha Howard.
»Spinnst du?« Dominique bedachte sie mit einem vernichtenden Blick. »Gott spaziert nicht nachts in die Schlafzimmer von Leuten. So was behaupten nur die Pfarrer. Gabriel will Priester werden, weil meine Mutter ihn einer Gehirnwäsche unterzogen hat, als er klein war. Sie hat ihn Ministrant werden lassen und ihm eingetrichtert, er wäre was Besonderes und alles. Das ist er aber nicht.«
»Er ist absolut himmlisch«, seufzte Emma schwärmerisch. »Ich frage mich, ob ich ihn davon überzeugen könnte, dass seine Talente ganz woanders liegen.«
»Du wärst nicht die Erste, die das probiert«, entgegnete Dominique. »Aber du wärst ganz bestimmt die Erste, die damit Erfolg hätte.«
Dominique hatte gehofft, dass sie, nachdem sie die Rolle des Judas so bravourös gemeistert hatte, in der Beliebtheitsskala ihrer Klasse nach oben rücken würde, doch der eigentliche Grund für ihre in der Tat gestiegene Popularität war Gabriel. Mädchen, die zuvor kaum ein Wort mit ihr geredet hatten, gingen nun auf sie zu und fragten sie über ihren Bruder aus, erkundigten sich, wann man ihn wohl am besten daheim antreffen könnte, oder gewöhnten es sich an, einfach auf gut Glück bei ihr zu Hause vorbeizuschauen in der Hoffnung, ihm zu begegnen. Evelyn reagierte überrascht und nicht immer erfreut über die neuen Freundinnen ihrer Tochter. Besonders misstrauisch war sie, wenn Emma Walsh aufkreuzte, mit dick getuschten Wimpern, schimmerndem pinkfarbenem Lipgloss auf den Lippen und weit ausgeschnittenen Oberteilen. Evelyn war der Ansicht, dass Emma ein schlechter Umgang für ihre Tochter war, die nun auffallend oft vor dem Spiegel stand und sich kritisch beäugte und schließlich selbst anfing, Wimperntusche und Lipgloss zu benutzen. Evelyn war strikt dagegen, dass Dominique der Eitelkeit frönte wie so viele Mädchen ihres Alters. Unbesorgt hingegen war sie, was den Einfluss von Emma auf ihren Sohn betraf. Sie wusste, kein Mädchen auf der Welt würde es schaffen, Gabriel von seinem selbst gewählten Pfad der Tugend abzubringen.
Ungeachtet Evelyns fester Überzeugung wurde die Aufgabe, Gabriel vom Priestertum zu erretten, für die Mädchen in Dominiques Klasse zu einer regelrechten Mission, und sie machten sich mit Feuereifer an die Arbeit. Sie wollten ihn geistig umpolen, ehe er seine Ausbildung im Priesterseminar begann, denn Gabriel hatte sich entschlossen, vorher noch eine Zeit lang das College zu besuchen, ehe er sich ausschließlich theologischen Studien und seiner Berufung widmen wollte. Deshalb blieb den Mädchen genau ein Jahr Zeit, und sie waren bereit, alles zu versuchen, und wetteiferten untereinander, welcher von ihnen es schließlich gelingen würde, Gabriels Leben in andere Bahnen zu
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