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Bis dein Zorn sich legt

Bis dein Zorn sich legt

Titel: Bis dein Zorn sich legt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
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aus einem Munde: »Wie geht’s denn so?«
    Und Anna-Maria antwortete. Wirklich gut. Rebecka sah sie an. Polizeiinspektorin Anna-Maria Mella war klein, gerade mal eins fünfzig. Aber Rebecka war sie nie so klein vorgekommen. Bisher. Sie verschwand fast in ihrer großen schwarzen Lederjacke. Ihre langen weizenblonden Haare hingen ihr wie üblich als dicker Zopf über den Rücken. Rebecka ging auf, dass sie sie in der letzten Zeit, ja, im vergangenen Jahr, nur sehr selten gesehen hatte. Die Zeit verging wirklich schnell. Ihren Augen war anzusehen, dass es ihr überhaupt nicht gut ging. Etwas über ein Jahr zuvor hatten Anna-Maria Mella und ihr Kollege Sven-Erik Stålnacke eine Schießerei miterlebt, beide hatten Todesschüsse abgeben müssen. Dafür, dass sie in diese Situation geraten waren, hatte Anna-Marie die Verantwortung getragen. Sie hatte nicht auf Verstärkung warten wollen.
    Er ist natürlich sauer, dachte Rebecka. Bestimmt geht es ihm schlecht, und er gibt ihr die Schuld.
    An sich nicht zu Unrecht, überlegte sie weiter. Anna-Maria hatte ihr Leben und das des Kollegen aufs Spiel gesetzt. In dieser Mutter von vier Kindern verbarg sich ein wildes Pferd. Aber jetzt war das Pferd mit Gewalt gezähmt worden.
    »Kann nicht klagen«, sagte Rebecka auf Anna-Marias Frage nach ihrem Befinden.
    Anna-Maria musterte Rebecka Martinsson. Sie sah wirklich richtig nach »kann nicht klagen« aus. Was verdammt viel besser war als früher. Sie war noch immer so mager. Aber nicht mehr so bleich und elend. Sie leistete als Staatsanwältin gute Arbeit. Hatte irgendeine Art von Verhältnis mit ihrem alten Chef aus der Stockholmer Zeit. Aber der Typ war ja eigentlich nichts, was man sich an den Weihnachtsbaum hängt. So ein reicher Kerl, der durch das Leben gleitet und das meiste mit Charme und Aussehen erledigt. Er trank zu viel, das war auf den ersten Blick zu sehen. Aber wenn Rebecka davon »kann nicht klagen« wurde, dann …
    Vom Ufer her rief ein Techniker nach Anna-Maria. Sie wollten den Leichnam wegbringen. Ob Anna-Maria die Tote sehen wollte? Anna-Maria rief »ich komme« und drehte sich wieder zu Rebecka um.
    »Ich will sie mir mal ansehen«, sagte Anna-Maria zu Rebecka. »Irgendwie habe ich ein besseres Gefühl, wenn ich sie gesehen habe, ehe ich mit den Angehörigen spreche. Die wollen ihre Toten ja meistens sehen, sichergehen können, dass wir wirklich ihre Tochter gefunden haben. Und dann ist es gut zu wissen, in welchem Zustand diese Tochter ist. Ich kann mir ja vorstellen, wie sie aussieht. Wo sie doch seit dem Herbst im Wasser gelegen hat.«
    Plötzlich verstummte sie. Verdammt, wieso plapperte sie gerade vor Rebecka Martinsson dermaßen über Leichen? Rebecka hatte in Notwehr getötet. Drei Männer. Hatte dem einen den Schädel eingeschlagen und die anderen beiden erschossen. Danach war sie krankgeschrieben worden. Fast zwei Jahre später, als Lars-Gunnar sich und seinen Sohn umgebracht hatte, war das zu viel gewesen. Und Rebecka war in der Psychiatrie gelandet.
    »Ist schon gut«, sagt Rebecka, als hätte sie Anna-Marias Gedanken gelesen. »Darf ich mitkommen?«
    Die Haut im Gesicht der Toten war weiß und schwammig. Die eine Hand hatte den Taucherhandschuh verloren und war mehr oder weniger verstümmelt. Das Fleisch hatte sich gelockert und die Knochen bloßgelegt. Daumen und kleiner Finger waren verschwunden. Die Nase war verschwunden. Wie auch der Großteil der Lippen.
    »So wird das eben«, sagte ein Techniker. »Wenn sie lange im Wasser liegen. Die Haut wird rissig und löst sich, und dann treiben sie im Wasser und stoßen irgendwo gegen. Dann fallen Nase und Ohren und solche Dinge ab. Und natürlich kann sie auch von Hechten angeknabbert worden sein. Wir werden ja sehen, wie sie zusammenhängt, wenn der Gerichtsmediziner ihr den Taucheranzug abschneidet. Geht sie zu Pohjanen?«
    Anna-Maria nickte und ließ Rebecka, die wie gebannt die zerfetzte Hand des Mädchens anstarrte, nicht aus den Augen.
    Polizeiinspektor Sven-Erik Stålnacke hielt seinen Volvo ein Stück weiter an, stieg aus und rief Anna-Maria zu: »Wir haben das Auto der beiden gefunden. Hinten bei den Stromschnellen.«
    Er kam auf sie zu. Vorsichtig breitbeinig, wie alle anderen, um nicht auszugleiten.
    »Es stand hinten am Kahlschlag«, erklärte er. »Hundertfünfzig Meter von den Stromschnellen entfernt. Sicher sind sie so weit gefahren, wie sie nur konnten, um die schwere Taucherausrüstung nicht zu lange schleppen zu müssen.«
    Mit

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