Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
ein giftiges Gefühl. Jane Lanfranchis Eltern haben eine wunderschöne Tochter verloren. Ray Garza hat einen nichtsnutzigen Sohn verloren. Das macht nichts wieder gut. Darin liegt auch keine Ironie. Und ganz sicher keine Gerechtigkeit.
Vier Monate später
Sami Macbeth ist zurück im Old Bailey. Aller guten Dinge sind drei. Heute beginnt sein Prozess, und der Gerichtssaal ist so voll, dass man die Türen schließen und der Öffentlichkeit den Zutritt verbieten musste.
Als er von zwei Polizisten flankiert aus den unterirdischen Zellen kommt, fühlt sich Sami, als würde er sich heimlich etwas erschleichen, wo doch alle anderen für einen Sitzplatz haben anstehen müssen.
Er sieht sich im Gerichtssaal um. Nadia sitzt in der ersten Reihe des Zuschauerraumes. Kate Tierney sitzt neben ihr. Sie halten sich an den Händen. Drücken ihm die Daumen.
Sami ist nicht besonders religiös, aber heute Morgen hat er gebetet. Es war leichter, als er gedacht hatte, wie eine einseitige Unterhaltung mit jemandem zu führen, der im Koma liegt.
Sami dreht sich um. Winkt. Sie winken zurück. Ein paar weitere Freunde sind auch auf der Tribüne, sogar ein paar von seinen Kumpeln, die ein paar schnelle Mäuse damit gemacht haben, Geschichten über Sami an die Boulevardblättchen zu verkaufen. Ihre Blicke scheinen zu sagen: »Tut mir leid, Kumpel, sie haben mich falsch zitiert.«
Vincent Ruiz sitzt neben seiner Exfrau Miranda, Samis Bewährungshelferin, die aussieht, als würde sie nur so lange Schwarz tragen, bis jemand eine dunklere Farbe erfindet.
Ruiz hat dafür gesorgt, dass Sami diesmal einen anständigen Anwalt bekam, auch wenn Eddie Barrett nicht gerade wie ein Anwalt aussieht. Er geht wie eine Bulldogge und knurrt Leute an, als bräuchte er eine Impfung gegen Staupe. Sami hat seinen Kronanwalt noch nicht gesehen, aber Eddie vertraut dem Typen.
Der Staatsanwalt ist eine Frau mit kurzen Haaren und einem maßgeschneiderten schwarzen Kostüm. Sie hat jenen androgynen Look, der berufstätige Frauen in liebliche Mysterien verwandelt.
Alles erhebt sich. Der Richter tritt ein – ein verkalkter alter Knacker, der ein Kissen auf seinen Stuhl legt. Sich setzt. Einen langen Brief liest, der von seiner Mutter sein könnte, vielleicht aber auch wichtig ist.
Er nimmt die Brille ab. Hebt den Blick.
»Wollen Sie mir zu verstehen geben, Mrs Lascelle, dass der Kronanwalt sich mit der Staatsanwaltschaft beraten und beschlossen hat, seine Haltung zu diesem Fall zu ändern?«
»Ja, Euer Ehren.«
Der Richter sieht Samis Kronanwalt an. »Und Sie sind wirklich einverstanden damit, dass der Fall auf dieser Basis fortgeführt wird, Mr Gallagher?«
»Ja, Euer Ehren.«
»Ist Ihr Mandant bereits von der Situation unterrichtet worden?«
»Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, mich mit ihm zu bereden. Vielleicht könnte ich einen Augenblick …«
»Auf jeden Fall.«
Der Richter setzt seine Brille wieder auf und widmet sich erneut dem Brief. Samis Kronanwalt steht auf und schleppt seine schwarze Robe hinter sich her, um mit seinem Mandanten zu sprechen. Seine Perücke aus Pferdehaaren scheint zu klein für seinen Kopf zu sein, vielleicht ist auch sein Hirn zu groß.
In einem tief grollenden Flüsterton beginnt er, Sami zu sagen, dass er nicht auf schuldig plädieren muss, da die Anklageschrift auf absehbare Zeit »in den Akten« liegen bleiben werde.
Sami versteht überhaupt nichts mehr und ist vollkommen verwirrt.
Eddie Barrett stimmt dem Kronanwalt zu. »Vertrauen Sie mir, Junge, tun Sie, was er sagt.«
»Das habe ich letztes Mal auch getan.«
»Das hier ist der bessere Deal.«
Mr Gallagher geht zurück zur Richterbank. Der Richter faltet den Brief zusammen und steckt ihn in eine Akte. Dann fängt er an, sich Notizen zu machen. Die nächsten zwanzig Minuten lang muss der Gerichtssaal zusehen, wie er schreibt, wobei niemand mehr von sich gibt als ein Flüstern.
Endlich ist er fertig. Er blinzelt Sami durch seine Brille an und wendet sich direkt an ihn.
»Erlauben Sie mir, Folgendes zu sagen, Mr Macbeth. Ich habe die letzte Nacht damit verbracht, die genaueren Umstände dieses Falles zu studieren, und kann daraus nur schließen, dass Sie ohne Zweifel einer der größten Unglücksraben sind, die je einen Fuß in meinen Gerichtssaal gesetzt haben. Sie scheinen außerdem über die unglückliche Gabe zu verfügen, eine verzweifelte Situation in eine hoffnungslose zu verwandeln. Könnte ich damit recht haben?«
»Ja, Euer
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