Bis hierher und nicht weiter
würde sie enttäuscht sein, wenn er Ja sagte. Und er wollte Lily nicht enttäuschen.
„Nein, ich werde es machen.”
Es kam ihm seltsam, aber auch richtig vor, den Truthahn anzuschneiden. Eine Fantasie tauchte vor seinem geistigen Auge auf, in der er sich und Lily und eine Horde Kinder in der Küche sah. Er blinzelte. Verdammt, er war kein Familienmensch!
Mit Hilfe der Instruktionen aus der Zeitschrift gelang es ihm, den Truthahn zu tranchieren. Lily kam an seine Seite und gab ihm einen KUSS auf die Wange. Preston wollte mehr. Er wünschte, ihre Freunde und Familie wären irgendwo anders, damit er hier in der Küche mit Lily schlafen konnte.
„Gute Arbeit”, lobte sie ihn.
Er neigte den Kopf und gab ihr den KUSS, nach dem er sich sehnte, seit er gestern Abend aus ihrem Haus verbannt worden war. „Ich kann es noch besser.”
„Pres, wir haben das Haus voller Gäste.”
„Sie würden mich nicht vermissen.”
„Humberto bestimmt.”
Preston hatte sich kurz mit dem Mann von Lilys Großmutter unterhalten. Er war ein interessanter Mann, der dreißig Jahre seines Lebens als Investmentbanker gearbeitet hatte.
„Deine Brüder ganz sicher nicht”, bemerkte er und verzog das Gesicht. Die beiden jungen Männer, die ihn nicht aus den Augen ließen, hatten etwas Beunruhigendes. Ganz diskret hatten sie sich nach seinen Absichten erkundigt und ihm Ärger angedroht, falls Lily seinetwegen weinen würde. Da war ihm klar geworden, dass er sie niemals traurig machen wollte.
„Das tut mir Leid.”
„Braucht es nicht. Du bist ihre hübsche Schwester, und sie sind besorgt um dich.”
Das Kompliment ließ sie erröten, und erneut stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen KUSS auf die Wange zu geben. Sofort erwachte Verlangen in ihm, und sein Puls beschleunigte sich.
„Es ist nur, weil sie mich lieben.”
„Bitte fang heute nicht mit dem Thema Liebe an.” Schon gar nicht, während er sie in den Armen hielt. Sie fühlte sich zierlich und verletzlich an. Aber er spürte, dass die Menschen, die ihr wichtig waren, ihr Kraft gaben.
„Warum nicht?”
Preston fühlte seinen Pager am Gürtel vibrieren. Gerettet, dachte er. Er ließ Lily los und las die Nachricht auf dem Display.
„Was ist los?” wollte sie wissen.
„Ich habe gerade eine Nachricht erhalten”, erwiderte er und nahm sein Handy heraus. Er hatte genug von ewiger Liebe gehört und davon, dass er Lily anständig behandeln solle. Er brauchte dringend eine Pause.
„An Thanksgiving? Das ist ja lächerlich.”
„Die Hotelbranche arbeitet auch an den Feiertagen.” Was der Wahrheit entsprach.
„Gibt es ein Problem mit einem deiner Hotels?”
Er schüttelte den Kopf. „Ich lasse mich von den Managern alle zwei Stunden über den Stand der Dinge informieren. Ich gehe nur schnell raus zu meinem Wagen und erledige die Anrufe.”
„Preston, du gehst nicht schon wieder.”
„Wieso nicht?” fragte er. Inzwischen fühlte er sich schon wie ein eingesperrtes Tier.
„Weil Thanksgiving ist. Du brauchst nirgends zurückrufen.”
„Lily, ichmuss …”
„Bitte, Preston.”
Bisher hatte sie ihn noch nie um etwas wirklich gebeten, und es gelang ihm einfach nicht, ihr diese Bitte abzuschlagen. Er nickte, weil er unsicher und durcheinander war. Zum ersten Mal wurde ihm klar, was ihm sein ganzes Leben lang entgangen war.
Und dennoch gab es keine Möglichkeit, es zu bewahren. Es gab keinen Preis, den er Lily zahlen konnte, damit sie all das hinter sich ließ und mit ihm durch die Welt reiste.
Sie legte die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. Seine Arme hingen schlaff herab. Angst packte ihn, und er fürchtete sich, sie zu berühren. Fürchtete sich davor, sie könnte sich in Luft auflösen und einfach verschwinden. Fürchtete sich davor, an den Traum zu glauben, nach dem er sein ganzes Leben lang gesucht hatte, wie ihm erst jetzt klar wurde.
Es erschreckte ihn zu erkennen, dass es ihm nichts ausmachen würde, hier zu bleiben. Dass er liebend gern seine Hotels, das Reisen und seinen Status als Großunternehmer der Hotelbranche aufgeben würde, wenn ihm dafür ein Leben mit Lily garantiert wäre.
Aber ein solches Risiko würde er niemals eingehen. Er würde nicht riskieren, wovon er bereits wusste, dass es eintreten würde.
Was Lily nie begriffen hatte, war die Tatsache, dass er längst die Erfahrung gemacht hatte, dass das Leben für reiche, verwöhnte Jungen, die zu kalten Männern herangewachsen waren, kein Happy End bereithielt.
Die
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