Bis hierher und nicht weiter
sie sogar, ihm das Zitat des Tages vorzulesen.
Er überraschte sie sogar, indem er einen ganzen Abend auf ihrer vorderen Veranda in ihren Armen lag und ihr Gedichte von Lord Byron vorlas. Seine warme, tiefe Stimme verlieh den Versen erst den richtigen Ausdruck. Wenn er wollte, konnte Preston sehr romantisch sein.
In diesem Moment fuhr er mit seinem schicken Wagen vor und rief aus dem heruntergelassenen Fenster: „Lily, bist du fertig?”
Sie ging zum Wagen und stieg ein. Aus den Lautsprechern kam die Musik der Dave Matthews Band. Sie liebte diese Jazzband und hatte Preston eine ihrer CDs gegeben. Danach war er losgegangen und hatte sämtliche CDs der Band gekauft und versucht, sie ihr zu schenken. Da es ihr jedoch unangenehm war, Geschenke anzunehmen, besonders von ihm, hatte sie ihm alle zurückgegeben. Trotzdem landeten sie alle nach und nach irgendwie bei ihr.
„Kennst du diese schon? Es ist ein weiteres Live-Album.”
„Ja, es ist gut.”
„Wir werden die CD heute Abend bestimmt nicht ganz hören können. Bis zum Metarie Cemetery ist es nur eine kurze Fahrt durch die Stadt. Aber du kannst sie gern mit nach Hause nehmen.”
„Ich nehme die CD nicht, aber ich nehme dich.”
„Erst nehme ich dich.”
Er lehnte sich für einen raschen KUSS, der ihr Verlangen aufflackern ließ, zu ihr hinüber. Dann schaute er über die Schulter, lenkte den Wagen auf die Straße und fuhr Richtung Friedhof.
Allerheiligen wurde in Crescent City - wie der Spitzname von New Orleans lautete - auf einzigartige Weise begangen. Seit sie ein kleines Kind war, ging Lily zu den abendlichen Feiern und weinte noch immer, wenn sie an den ersten November dachte und das Jahr, in dem ihre Eltern starben.
„Freust du dich auf heute Abend?” fragte sie, nachdem Preston endlich einen Parkplatz gefunden hatte.
„Ich muss zugeben, dass es mir ein klein wenig eine Gänsehaut verursacht.”
„Ein klein wenig?”
„Nein, sehr”, gestand er lachend.
Eine Gruppe von Leuten mit Blumen in den Händen ging an ihnen vorbei. Preston legte Lily den Arm um die Schultern.
Sie hatte bereits vorher Chrysanthemen zum Grab ihrer Eltern gebracht und fragte sich jetzt, ob Preston jemanden hatte, an den er sich heute Abend erinnern wollte. Von seinem Vater sprach pr stets, als sei er tot, aber im Grunde wusste Lily absolut nichts über seine Familie.
Sie betraten den Friedhof, der im späten achtzehnten Jahrhundert eine Rennstrecke gewesen war, bevor man einen Friedhof daraus machte. Langsam gingen sie Hand in Hand zwischen den von Kerzen erleuchteten Parzellen hindurch und blieben gelegentlich stehen, um die Inschriften zu lesen oder den Unterhaltungen derer zu lauschen, die Nachtwache hielten.
„Ich habe diese Zeit des Jahres immer dazu genutzt, mich an die Menschen zu erinnern, die ich verloren habe, egal, ob sie in New Orleans begraben sind oder nicht.”
„An wen erinnerst du dich dieses Jahr?” fragte er leise.
„An meine Freunde Pam und Carol.” Noch immer sah sie ihre lächelnden Gesichter vor sich und dachte an die guten Zeiten, die sie zusammen verbracht hatten. Es war in gewisser Hinsicht tröstlich, diese Erinnerung mit Preston zu teilen. Ein paar Minuten lang erzählte sie ihm von ihnen, in der Gewissheit, dass sie Preston gemocht hätten.
„Und an wen denkst du?” fragte sie schließlich.
„Dies ist deine Tradition, nicht meine.”
„Hast du schon jemanden verloren, der dir nahe stand?” Auch wenn ihm das Thema unangenehm war, sie wollte unbedingt mehr über seine Vergangenheit erfahren. Ihr war noch nie jemand begegnet, der die Vergangenheit so ignorierte, wie er es tat.
„Ich glaube nicht.”
„Was ist mit deinen Eltern? Dein Dad ist tot, oder?”
„Ja. Meine Mutter auch. Aber wir standen uns nie sehr nahe.”
Bevor sie die nächste Frage stellen konnte, legte er ihr den Zeigefinger auf die Lippen. Sie schaute in seine grauen Augen, und zum ersten Mal wirkten sie nicht kalt. „Habe ich dir schon gesagt, wie bezaubernd du heute Abend bist?”
Sie schüttelte den Kopf und ließ ihn das Thema wechseln, obwohl sie so gern mehr über ihn erfahren hätte. Denn sie wusste, dass sie ihm nur beibringen konnte zu lieben, wenn sie seine Vergangenheit kannte. Dort lag der Schlüssel zu allem, was sie bei ihm nicht verstand.
„Du bist außergewöhnlich.”
„O Preston, du sagst die verrücktesten Sachen.”
„Das tue ich nicht.”
Doch, das tat er. Sie war eine durchschnittliche, gewöhnliche Frau, aber bei ihm
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