Bitte Einzelzimmer mit Bad
wöchentlich von Frau Fischer bewässert und von vorschriftswidrigen Düngergaben wie Zigarettenkippen, Streichhölzern und zerknülltem Kohlepapier befreit. Dafür produzierte das Gewächs jeden Monat ein neues Blatt und verlor zwei alte.
Bevor seine Schwester zu noch massiveren Wurfgeschossen übergehen würde, von denen vielleicht doch mal eins treffen könnte, hatte sich Karsten verkrümelt. Verbissen hämmerte Barbara auf ihrer Maschine herum und bemühte sich vergeblich, alle Anzüglichkeiten zu überhören.
»Liebe Ernestine alias Barbara Pabst«, dozierte Florian, »einem bedauerlichen Irrtum zufolge reden wir dich seit zweieinhalb Jahren mit einem Namen an, der kraft deutscher Gesetzgebung lediglich für Standesbeamte und Sachbearbeiter behördlicher Fragebogen Gültigkeit hat. Mit sofortiger Wirkung wird der Name Barbara aus den Annalen der Redaktion gestrichen und durch den gesetzlich verbrieften Taufnamen Ernestine ersetzt!« Er winkte seinem gummikauenden Kollegen zu: »Gerlach, eine Taufe geht bekanntlich niemals trocken über die Bühne. Rück mal deine Wodkapulle raus, die du in der Ablage versteckt hast!«
Der so Angesprochene sah nicht einmal auf. »Erstens ist das Gin, und zweitens gehört mir die Flasche gar nicht.«
»Woher weißt du dann, was drin ist?«
»Die hat der Uhu dort versteckt!« Sabine zog einen Ordner aus dem Regal.
»L gleich Labsal, wie passend!« bemerkte Florian. »Wenn der Uhu heute noch aufkreuzen sollte, dann sagt ihm, ich hätte sein proletarisches Gesöff für eine rituelle Handlung gebraucht. Im übrigen schuldet er mir schon seit Pfingsten zwanzig Mark. Jetzt sind es bloß noch zehn.«
Edwin Kautz, genannt Uhu, war freier Mitarbeiter und erschien nur gelegentlich in den Redaktionsräumen. Nur im Sommer sah man ihn häufiger, weil er die Sparte ›Unser Kleingarten‹ betreute und berechtigte Zweifel hegte, daß man in der Setzerei seine handgeschriebenen Manuskripte auch richtig entziffern würde. Den empörten Leserbrief eines Gärtnermeisters im Ruhestand, der sich drei Seiten lang darüber aufgeregt hatte, daß die Pulchella Pallida den Herbstblühern zugeordnet worden war, wo es sieh doch einwandfrei um eine Tulpe und somit um eine Frühjahrspflanze handelte, hatte der Uhu wochenlang mit sich herumgetragen und jedem Interessierten oder auch nicht Interessierten als Beweis für die Unfähigkeit der Setzer vorgewiesen. »Jeder normale Mensch kann sich doch denken, daß man im Frühling nichts über Blumen schreibt, die im Herbst blühen«, hatte er sich beim Chefredakteur beschwert und für die Zukunft einen Korrektor gefordert, der Fachkenntnisse besäße oder zumindest Hobbygärtner sei. Leider gab es nur einen, und der züchtete Kakteen. Deshalb zog es Edwin Kautz vor, die Korrekturabzüge seiner Abhandlungen nunmehr eigenhändig zu redigieren.
»Wo sind Gläser?« fragte Florian, während er die Flasche aufschraubte.
»Die beiden letzten sind vorgestern kaputtgegangen, als Gerlach uns die Methoden des Bombenlegers vom Hindenburgplatz demonstrieren wollte«, sagte Sabine, »aber wir haben noch genügend Kaffeetassen!«
»Ich hab’ zwar schon mal Cointreau aus Biergläsern getrunken, aber Gin aus Kaffeetassen ist eine neue Variante.« Florian goß großzügig bemessene Portionen in die Keramiktöpfe, die ihm hilfsbereit entgegengehalten wurden. Dann stieg er auf einen Stuhl und tröpfelte direkt aus der Flasche etwas Gin auf Barbaras Kopf.
»Hiermit taufe ich dich auf den Namen Ernestine, genannt Tinchen, jetzt und immerdar!« Auffordernd blickte er in die Runde. »Erhebt eure Gefäße und stoßt mit mir ins Horn: Lange lebe unser Tinchen, der gute Geist der Redaktion! Hoch, hoch, hoch!«
»Du bist ein ganz widerwärtiges Individuum!« heulte Barbara, nunmehr endgültig als Tinchen enttarnt, und warf ihren Topf in Florians Richtung. Der duckte sich, und so segelte das Blümchengeschoß durch die sich öffnende Tür und zerschellte zu Füßen des Chefredakteurs. Entgeistert sah Tinchen ihn an. Dr. Viktor Vogel, hausintern Sperling genannt, ignorierte die Scherben.
»Haben Sie die Abschrift meines Artikels schon fertig, Fräulein Pabst?«
Tinchen schüttelte den Kopf. »Solange die Herren Reporter ihre Manuskripte hier im Sekretariat schreiben und ihre Meinungsverschiedenheiten ebenfalls hier austragen müssen, ist ein konzentriertes Arbeiten nahezu unmöglich. Könnte man für diese zwar notwendigen, aber äußerst lästigen Mitglieder des
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