Black Jack: Bei Anruf Mord!
haben?“
„Möglich, aber unwahrscheinlich. Ich verlasse den Raum so gut wie nie, wenn jemand im Laden ist. Die meiste Zeit bin ich dabei, um bei der Auswahl zu helfen oder Fragen zu beantworten. Am Freitag war allerdings viel zu tun. Und ich musste ein paar Mal nach hinten gehen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Stammkunden mich bestehlen.“
„Hast du den Diebstahl der Polizei gemeldet? Oder der Versicherung?“
„Nein. Ich wollte erst mit meiner Tante sprechen.“ Sie ließ den Schrank nicht aus den Augen. „Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich tun soll.“
Kelly hörte die Unsicherheit in ihrer Stimme. „Glaubst du, dass Jonathan es genommen hat?“
„Nein.“ Müde fuhr sich Victoria mit der Hand durch das Haar. „Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll, Kelly. Ich bin total durcheinander.“ Sie presste die Zeigefinger gegen die Schläfen. „Zum Teufel mit dem Fläschchen. Ich möchte, dass mein Mann wieder nach Hause kommt.“
Kelly zog den Ärmel ihrer Lederjacke hoch und sah auf ihre Uhr. Neun Uhr. „Hör zu. Es könnte eine Weile dauern, bis Officer Brown sich meldet. Warum machst du den Laden nicht zu, und wir gehen nach Hause? Dort schauen wir uns mal Jonathans Kleiderschrank an. Vielleicht finden wir ja da einen Hinweis zu seinem Ausflug nach Miami.“
Victoria griff bereits nach dem Telefon. „Lass mich eben noch Lucy fragen, ob sie Phoebe schon zu Bett gebracht hat. Ich möchte meinem kleinen Mädchen nicht erklären müssen, warum Daddy ihre Vorstellung versäumt hat und noch weniger, warum er nicht zu Hause ist.“
3. KAPITEL
D ie Bowmans wohnten in Bryn Mawr, einer eleganten Gegend für die Wohlhabenden, knapp zwanzig Autominuten von der Innenstadt von Philadelphia entfernt.
Kurz nachdem Jonathan zum Vizepräsidenten ernannt worden war, hatte Victoria vorgeschlagen, das kleine, im Cape-Cod-Stil erbaute Haus in Haverford zu verlassen und eines in New Jersey zu kaufen, damit Jonathan nicht jeden Tag den weiten Weg zur Arbeit hatte. Da er jedoch wusste, wie gern seine Frau in der Nähe ihrer Tante und ihres Onkels war, hatte er ihr stattdessen das Haus in Bryn Mawr gezeigt. Er wusste, dass sie sich darin verlieben würde.
Solche großzügigen Gesten waren typisch für Jonathan. Er liebte es, Victoria mit kleinen Aufmerksamkeiten zu erfreuen, und überschüttete sie mit Geschenken, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot. Manchmal waren die Präsente sehr teuer, aber das war seine Art, nicht nur Victoria, sondern auch ihrer Tante zu beweisen, dass er durchaus in der Lage war, Victoria den Lebensstil zu ermöglichen, den sie ihr ganzes Leben lang genossen hatte. Für Victoria waren diese Liebesbezeigungen überflüssig, aber sie wusste, warum er es tat, und liebte ihn deswegen um so mehr.
Die Babysitterin, ein attraktiver Teenager mit braunem Haar, das ihr bis zur Hüfte reichte, saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher, als Kelly und Victoria kamen. Weisungsgemäß hatte Lucy Phoebe bereits zu Bett gebracht. Victoria bemühte sich nach Kräften, ihre Ängste nicht zu zeigen. Sie gab ihr das Geld, brachte sie hinaus und wartete, bis die Schülerin an der Tür ihres zwei Häuser weiter gelegenen Zuhauses angekommen war, ehe sie wieder hineinging.
„Ich seh mal nach Phoebe“, sagte sie und rieb sich die nächtliche Kälte von den Armen.
„Ich komme mit dir.“
Beim Anblick ihres friedlich schlafenden Patenkindes, das seine rothaarige Stoffpuppe fest im Arm hatte, fühlte Kelly wie immer eine Welle der Zuneigung. Mit ihrem langen hellblonden Haar, der makellosen Haut und dem herzförmigen Mund war die Fünfjährige das getreue Ebenbild ihrer Mutter. Nur ihre Augen, die so braun waren wie die ihres Vaters, deuteten darauf hin, dass sie eine Bowman war.
Nachdem sie und Victoria Phoebe auf die Stirn geküsst hatten, gingen beide auf Zehenspitzen hinaus und geräuschlos zum Elternschlafzimmer am anderen Ende des Korridors. Sie begannen, Jonathans Kleiderschrank zu durchsuchen, der genauso ordentlich und gepflegt war wie sein Besitzer. Sämtliche Taschen seiner Anzüge waren leer. Dann konzentrierten Kelly und Victoria ihre Aufmerksamkeit auf den Nachttisch. Die Schublade war voll mit säuberlich zusammengehefteten Parkscheinen, Kreditkartenbelegen, Notizen, die er hastig auf kleine Zettel geschrieben hatte, und eine Quittung von den Hafenbehörden in Delaware.
Nach einer halben Stunde ergebnisloser Suche schüttelte Kelly den
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