Blacksoul - In den Armen des Piraten
erkannte sie mindestens ein Dutzend Männer, alle mit Säbeln und Pistolen bewaffnet, die Kapitän Hendersons Mannschaft überwältigt hatten. Das Deck glich einem Schlachtfeld. Trümmerteile des getroffenen Mastes waren über das gesamte Schiff verteilt, das Großsegel hing in Fetzen. Ihr Häscher war stehen geblieben und zwang so auch Josie, keinen Schritt weiterzugehen.
Das Klatschen der Wellen am Schiffsrumpf schien ihr unnatürlich laut, denn trotz all der Männer an Bord herrschte Totenstille. Unheilvoll legte sich diese Ruhe auch über Josie. Der Mann, von dem dieses Schweigen ausging, fesselte ihre Aufmerksamkeit. Und genau wie alle andern, heftete auch sie ihren Blick auf diese eine Person. Den Kapitän des feindlichen Schiffes. Obwohl er Josie den Rücken zukehrte, spürte sie seine Wut. Wortlos erteilte er nur durch einen Fingerzeig einen Befehl, woraufhin zwei seiner Männer einen der gefesselten Matrosen aus der Reihe der Gefangenen hervorzerrten. Diesem stand die Todesangst ins Gesicht geschrieben, als er dem Piraten vorgeführt wurde.
Der Wind blähte das weiße Hemd des alles beherrschenden Mannes, und sein langes blondes Haar wehte ihm um die Schultern. Der Matrose, der sich mit aller Kraft wehrte, wurde rüde zu Boden gestoßen. Ein gezielter Stiefeltritt in die Rippen hielt ihn dort.
„Blacksoul, bitte …“, wimmerte der Gefangene, ohne jedoch Beachtung zu finden.
„Schön, dich wiederzusehen“, begann der Pirat im Plauderton ein einseitiges Gespräch.
„Wie lange ist das jetzt her? Felipe, hilf mir auf die Sprünge – wie lange ist es her? Vier Jahre?“
Felipe, der feingliedrige Spanier, kannte dieses Spiel. Ein mitleidsloser Blick auf den Gefangenen und ein bestätigendes Nicken ließen Blacksoul fortfahren.
„Vier Jahre. Du hast Glück – das ist eine lange Zeit. Meine Wut ist schon fast verraucht.“
„Bitte, hab Gnade …, ich gebe dir alles, was du willst, …“
„Fast. Aber nicht ganz. Jetzt, wenn ich in deine stinkende Visage schaue, bin ich zwar wütend genug, dir dein zahnloses Maul für immer zu stopfen, aber ich kann dir eines sagen, ich tue es nicht mehr mit der gleichen Leidenschaft wie zu Anfang.“
„Blacksoul, bitte! Das alles war doch Hawkins Idee! Ich …“
Blitzschnell zückte der auf Rache sinnende Pirat seinen Säbel und zog ihn dem Matrosen quer übers Gesicht. Dieser schrie vor Schmerz laut auf und presste sich die Hände auf die klaffende Wunde. Blut tropfte auf das Deck.
Josie zuckte zusammen, und der Druck auf ihren Arm wurde härter.
„Mach keine Dummheiten!“, murmelte der Mann hinter ihr, dessen kleinste Bewegung ihr die Schulter ausgekugelt hätte. Zum Zeichen, dass sie verstanden hatte, nickte sie. Entschlossen, sich dieses grausame Treiben nicht länger mit anzusehen, wandte sie den Kopf ab. Aber schon beim nächsten Schrei des Gefangenen geriet ihr Entschluss ins Wanken und sie konnte nicht anders, als zuzusehen, was dem Seemann angetan wurde.
„Willie Hawkins wird mir nicht entkommen. Keiner von euch entkommt“, knurrte Blacksoul, und ein weiterer Säbelstreich traf die vors Gesicht gepressten Hände. Der Verwundete kreischte wie ein Tier und pisste sich in die Hosen, als ihm klar wurde, dass dies sein Ende war. Mit einem letzten Stoß trieb Blacksoul ihm seine Klinge in die Brust und stieß ihn zurück, sodass er über ihm stehend zusehen konnte, wie er starb.
Kapitän Henderson war inzwischen so blass wie die Segel im Mondlicht. Als sein Blick Josie streifte und er sie trotz ihrer Verkleidung erkannte, bekreuzigte er sich hastig. Was würden Männer, die zu solcher Brutalität und Grausamkeit fähig waren, erst mit ihr tun?
Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, bis der Mann endlich seinen Blick von dem Leichnam löste. Blacksoul, so hatte dieser seinen Mörder genannt. Und als dieser sich nun zu Josephine umdrehte, stockte ihr der Atem. Das Hemd blutgetränkt, der Säbel glänzend rot und das Gesicht von einer langen Narbe entstellt. Hasserfüllt dreinblickend kam er auf sie zu. Trotz der Gewissheit, dass ihr gleich der Arm gebrochen werden würde, versuchte Josie, sich loszureißen.
„Wer ist das, Henry?“
„Schiffsjunge oder so. Mageres Bürschchen. Hat sich im Unterdeck versteckt, der Feigling.“
Blacksoul hob ihr Gesicht mit seiner blutbeschmierten Hand an und betrachtete den Bluterguss, ehe er sich gelangweilt abwandte und murmelte:
„Wir nehmen ihn mit. Schläge kann er auch bei mir
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