Blauer Montag
den Achseln.
»Komm schon, Buzz«, sagte er. Maggie hörte die Krallen des Hundes über den Boden kratzen, als er ins Haus und dann die Treppe hinauf stürmte. Sein Herrchen folgte ihm nach oben.
Sobald Maggie eingetreten war, schlug ihr der Gestank von Schimmel, Müll, Bratfett und Hundescheiße entgegen, vermischt mit anderen Gerüchen, die sie nicht recht einordnen konnte – ein Potpourri, das ihr fast das Wasser in die Augen trieb. Sie zog die Haustür hinter sich zu. Was früher einmal die Diele eines Privathauses gewesen sein musste, war nun mit Paletten, Farbdosen, offenen Müllsäcken und einem alten Fahrrad ohne Reifen zugestellt. Die Treppe lag direkt vor ihr. Die erste Tür links, durch die man früher wohl das Wohnzimmer betreten hatte, war zugemauert. Maggie ging an der Treppe vorbei bis zu einer Tür weiter hinten, klopfte fest dagegen und lauschte. Drinnen war ein kurzes Rascheln zu hören, dann nichts mehr. Sie klopfte noch ein paar Mal und wartete. Schließlich klapperte etwas, dann schwang die Tür nach innen auf. Erneut zückte Maggie ihre laminierte Karte.
»Michelle Doyce?«, fragte sie.
»Ja«, antwortete die Frau.
Maggie konnte selbst nicht genau festmachen, was sie an ihrem Gegenüber so seltsam fand. Die Frau wirkte keineswegs ungewaschen und trug ihr Haar ordentlich gekämmt – allerdings fast zu ordentlich, als hätte sie es wie ein kleines Mädchen angefeuchtet und dann derart glattgestriegelt, dass es ganz flach am Kopf klebte. Noch dazu war es so dünn, dass überall die bleiche Kopfhaut hindurchlugte. Ihr glattes Gesicht
leuchtete rosig und war von einem Hauch aus feinen Härchen überzogen. Mit ihrem knallroten Lippenstift hatte sie ein klein wenig zu weit über die Lippenkonturen hinausgemalt. Sie trug ein weites, ausgewaschenes Blumenkleid.
Maggie stellte sich vor und zeigte ihre Karte.
»Ich wollte nur mal nach Ihnen sehen, Michelle«, erklärte sie, »und hören, wie es Ihnen geht. Ist bei Ihnen alles in Ordnung? Fühlen Sie sich gut?«
Die Frau nickte.
»Darf ich reinkommen?«, fragte Maggie. »Darf ich mich davon überzeugen, dass alles in Ordnung ist?«
Sie trat in die Diele und holte ihr Notizbuch heraus. Soweit sie es auf den ersten Blick beurteilen konnte, achtete Michelle auf Körperpflege.
Während die beiden Frauen so dastanden, wurde Maggie auf ein Geräusch aufmerksam, das sie nicht recht zuordnen konnte. Wahrscheinlich drang von draußen Verkehrslärm herein, oder im Stockwerk über ihnen war gerade jemand mit dem Staubsauger zugange. Oder es handelte sich um das Summen eines weit entfernten Flugzeugs. Wobei ihr nun auch ein seltsamer Geruch in die Nase stieg. Als hätte etwas Essbares zulange im Warmen gestanden. Maggie blickte zur Dielenlampe hoch. Der Strom war offenbar angeschaltet. Vielleicht sollte sie überprüfen, ob Michelle über einen Kühlschrank verfügte. Andererseits machte die Frau einen recht gesunden und wohlgenährten Eindruck.
»Darf ich mich ein bisschen umsehen, Michelle?«, wandte Maggie sich an sie. »Mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist?«
»Möchten Sie ihn kennenlernen?«, entgegnete Michelle.
Maggie starrte sie verblüfft an. Ein Partner war in der Akte nicht erwähnt worden.
»Sie haben einen Freund?«, fragte sie. »Ich würde mich freuen, wenn Sie ihn mir vorstellen würden.« Michelle übernahm
die Führung und öffnete die Tür zu einem Raum, der auf die Rückseite des Hauses hinausging und früher wohl mal eine Art Hinterzimmer gewesen war. Maggie spürte sofort etwas auf ihrem Gesicht. Zuerst hielt sie es für Staub. Es fühlte sich an, wie wenn einem eine nahende U-Bahn warme, staubige Luft entgegenblies. Gleichzeitig aber wurde das Geräusch lauter, und Maggie begriff, dass es sich nicht um Staub, sondern um Fliegen handelte – eine dicke Wolke aus Fliegen, die ihr ins Gesicht klatschte.
Ein paar Augenblicke lang starrte sie irritiert den Mann auf dem Sofa an. Ihre Wahrnehmung hatte sich verlangsamt und irgendwie verschoben, als befände sie sich tief unter Wasser oder in einem Traum. Benommen fragte sie sich, ob er eine Art Taucheranzug trug – einen bläulichen, wie marmoriert wirkenden und an manchen Stellen leicht aufgerissenen Taucheranzug –, und warum seine Augen so gelb und umwölkt aussahen. Dann wurde sie auf einmal hektisch und fischte ihr Handy aus der Tasche, doch vor lauter Aufregung ließ sie es fallen, und plötzlich wollten ihre Finger ihr nicht mehr gehorchen. Maggie konnte sie
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