Blaulicht
eines Bierausschanks.
»Und, Frau Doktor, ham’s dir gefallen, die Schmuggler-
g’schichten?«
»Ja, sehr. Ich hatte eher mit so was wie dem Komödienstadl gerechnet, aber das war wirklich phantastisch. Was trinkst denn, Gloßner? Ich lad dich ein.«
Sie bestellen zwei Helle.
»Weißt du, an dem Stück kannst du ablesen, wie sich die Welt verändert hat. Vor achtzig Jahren haben ein paar Bauern von hüben und drüben gemeinsam Vieh über die Grenze getrieben, weil man es in Bayern teurer verkaufen konnte als in Böhmen, und haben sich den Mehrerlös geteilt. Nach solchen Leuten haben damals die Beamten aus meinem Zöllnerhaus gefahndet. Und heute? Drogen, Prostitution, Mord und Totschlag.«
»Also siehst du das Pascherspiel als Kriminalstück?«
»Auch. Sagen wir: als ein nostalgisches Kriminalstück.«
»Warum nicht gleich ›nostalgischer Regionalkrimi‹?«
Gloßner hat eben seinen Bierkrug angesetzt und verschluckt sich jetzt beinahe.
»Um Gottes willen. Verschon mich bloß mit diesen Regionalkrimis. Über Schönsee gibt’s übrigens auch schon einen.«
»Und?«
»Dazu sag ich jetzt lieber nix.«
»Ich frag mich bloß, wo diese Sucht nach Krimis herkommt. Im Fernsehen siehst du ja auch kaum noch was anderes.«
Gloßner ordert ein weiteres Bier.
»Und was sagt die Psychologin dazu?«
»Ich glaub, die Menschen sind einfach völlig überfordert. Wir werden permanent mit Horrormeldungen überschwemmt. Erdbeben, Vulkanausbrüche, Ölpest – und was kannst du dagegen tun? Nichts. Da schaut man sich im Fernsehkrimi dann eben Probleme an, die in maximal eineinhalb Stunden gelöst werden. Das beruhigt. Gloßner, du schaust so skeptisch?«
»Na ja, da ist schon was dran, an dem, was du sagst, aber es kommt noch was dazu. Heute ist der Wachtmeister eine Videokamera, und ein perfekt organisierter Polizeiapparat bekämpft einen genauso perfekt organisierten Verbrechensapparat. Beides macht den Leuten Angst. Der Krimi personalisiert das Ganze, macht es wieder menschlich, wenn du so willst. Die Leute wollen ›ihren‹ Ermittler erleben, wie damals den Wachtmeister, und das möglichst in vertrauter Umgebung.«
»Gloßner, dann bist du ein perfekter Krimiheld: ein Bulle im Urlaub, dem die ganze Sache eigentlich vollkommen egal hätte sein können –«
»Hm.«
»– und der bei einem nächtlichen Böhmentrip nicht nur ein junges Mädchen aus den Fängen eines psychopathischen Musiklehrers rettet, sondern sie auch noch bei einem befreundeten Doktor abliefert – wie hieß der noch gleich?«
»Killer.«
»Lustiger Name für einen Arzt.«
»Kommt angeblich von Köhler. – Na ja, aber ehrlich gesagt: So wie ich den Herbert kenn, hat er dem Mädel ein paarmal fröhlich auf die Schulter geklopft und gesagt ›Was hast? Einen Schock? Von so ein bisserl Entführung? Geh weiter! Jetzt trinkst erst amal a Bier oder zwei, und dann wird des wieder! Oder magst an Schnaps?‹«
Der Wirt hat die letzten Worte mitbekommen – außer Gloßner und Kascha stehen nur noch wenige Menschen an der bis vor Kurzem noch überfüllten Theke.
»Birne hammer, Zwetschge und Kräicherl.«
»Zwei Kräicherl, bitte.«
»Hast du uns da gerade zwei Krüge Schnaps bestellt?«
»Nein. Kräicherl ist eine Minimirabelle. Jedenfalls, der Killer Herbert –«
»Lieber Gloßner, so schlimm kann der auch wieder nicht sein. Seine Schwester hat am Samstag die Leonie nach Nürnberg mitgenommen und im Klinikum abgeliefert – die ist ja ein ganz liebenswürdiger Mensch!«
Zwei randvolle Schnapsbecher werden auf die Theke gestellt.
»Zum Wohl!«
»Hübsche Becher! Handbemalt, oder?«
»G’falln s’ Ihnen?« Der Wirt schaut schlitzohrig wie ein Pascher von damals. »Ich geb s’ Ihnen für zwa Euro ’s Stück mit – aber Sie kriegen die Becher nur, wenn Sie sich die G’schicht anhören, die dazu g’hört.«
Gloßner und Kascha befürchten unisono einen Krimi.
»A wo! Nix Krimi! Passen S’ auf: Die Becher hab ich von einem Tschechen aus Domažlice, der mir tausend Stück zu einem Superpreis angeboten hat. Dann bringt der mir zwei Wochen später die ganze Ladung, und ich schau mir die an und denk mir: Wo ist denn da der Eichstrich? Sag ich zu dem Tschechen – Marek heißt der –, ohne Eichstrich kann ich doch die Becher nicht verwenden! Und wissen S’, was der dann g’macht hat?«
Wir danken
Cornelius Bönsch von Ensemble Kontraste, der uns über die Feinheiten beim Cellospiel aufgeklärt hat,
Nadine Keßler und
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