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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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oder vielmehr ins Leere –, während ich emsig nähte und ihr alle meine Geheimnisse erzählte.
    Meine liebe alte Puppe!
    Ich war als Kind so in mich gekehrt und scheu, daß ich selten den Mund auftat und niemandem mein Herz auszuschütten wagte. Ich muß fast weinen, wenn ich daran denke, welcher Trost es für mich war, wenn ich aus der Schule nach Hause kam, hinauf in mein Kämmerchen laufen und sagen konnte: »O du gute treue Puppe, ich wußte, daß du mich erwartest.« Und dann setzte ich mich auf den Boden, stützte den Ellbogen auf ihren großen Lehnstuhl und erzählte ihr alles, was ich erlebt hatte, seit wir uns nicht gesehen.
    Von jeher besaß ich einen Hang zu beobachten, aber ich faßte nicht rasch auf. Durchaus nicht. Ich beobachtete still, was vorging, und wünschte nur, ich könnte es besser verstehen. Ich war keineswegs scharfsinnig. Wenn ich jemanden gern habe, scheint mein Verstand klarer zu werden. Aber vielleicht ist das nur Eitelkeit und Einbildung von mir.
    Mein Patin erzog mich, soweit ich mich zurückerinnern kann, wie eine der Prinzessinnen in den Feenmärchen; nur daß ich nicht so schön war. Ich wußte bloß, daß sie meine Patin war und eine gute, gute Frau. Sie ging dreimal am Sonntag in die Kirche und Mittwochs und Freitags zur Frühmesse und in die Betstunden, so oft welche gehalten wurden. Sie hatte ein schönes Gesicht, und wenn sie nur einmal gelächelt haben würde, so hätte sie wie ein Engel aussehen müssen; – aber sie lächelte nie. Sie war immer ernst und streng, aber immer so außerordentlich gütig, daß wohl nur die Schlechtigkeit anderer Menschen die Schuld trug, daß sie ihr ganzes Leben so finster war.
    Ich kam mir so ganz anders geartet vor als sie, selbst wenn ich den Unterschied zwischen Kind und Erwachsener in Abzug brachte, kam mir so unbedeutend und armselig und ihr so fernstehend vor, daß ich niemals rechtes Vertrauen zu ihr fassen, ja, sie nicht einmal so lieben konnte, wie ich gewünscht hätte. Mir machte der Gedanke viel Schmerz, wie gut sie und wie unwürdig ich ihrer sei; und ich nährte in meinem Innern eine inbrünstige Hoffnung, mein Herz möge mit der Zeit besser werden. Und ich sprach darüber sehr oft mit meiner lieben Puppe. Aber ich liebte meine Patin eben doch nie so, wie ich hätte sollen und müssen, wenn ich ein besseres Kind gewesen wäre.
    Da ich mir dies beständig vorhielt, wurde ich noch schüchterner und stiller, als ohnehin schon in meiner Natur lag; und meine einzige Freundin war die Puppe, bei der allein ich mich wohl fühlte. Aber, als ich noch ein ganz kleines Ding war, geschah außerdem noch etwas, was mich darin noch bestärkte.
    Ich hatte nie von meiner Mutter sprechen hören. Ebensowenig von meinem Vater; aber meine Mutter interessierte mich sehr. Ich konnte mich nicht entsinnen, je ein Trauerkleid getragen zu haben. Man hatte mir niemals meiner Mutter Grab gezeigt und mir nie gesagt, wo es sei, mich auch nie für eine andere Verwandte als für meine Patin beten gelehrt. Mehr als einmal erwähnte ich diesen Gegenstand meines beständigen Grübelns gegen Mrs. Rachael, die immer mein Licht fortnahm, wenn ich zu Bette gegangen, und unsere einzige Dienerin war. Aber sie sagte jedes Mal nur: »Esther, gute Nacht!« und ging fort und ließ mich allein.
    Obgleich sich sieben Mädchen in der nahen Schule befanden, wo ich Unterricht erhielt, und sie mich die kleine Esther Summerson nannten, so war ich doch bei keinem von ihnen je zu Besuch gewesen. Alle waren weitaus älter als ich, aber es schien noch eine andere Scheidewand zwischen uns zu bestehen außer dem Umstande, daß sie, älter und klüger als ich, mehr wußten. Eine von ihnen lud mich in der ersten Woche meiner Schulzeit, wie ich mich noch genau erinnere, zu meiner großen Freude zu einem kleinen Fest ein. Aber meine Patin schrieb einen steifen Absagebrief, und ich durfte nicht hingehen. Ich kam nie auf Besuch in andere Häuser.
    Mein Geburtstag war wieder gekommen. Den andern bedeuteten Geburtstage Feiertage – mir niemals; die andern hatten bei solchen Gelegenheiten Festlichkeiten zu Hause, wie ich sie einander erzählen hörte; – ich niemals. Mein Geburtstag war die langen Jahre hindurch der trübste Tag meines Lebens.
    Wenn mich meine Eitelkeit nicht täuscht, was wohl der Fall sein kann, denn so etwas weiß man nicht selber, so wird meine Fassungskraft mit meiner Zuneigung geweckt. Ich habe ein liebebedürftiges und weiches Gemüt, und vielleicht würde ich noch

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