Bleakhouse
gewendet, und ich wünschte ihr Glück und weitere Vermehrung ihres Einkommens und eine recht lange Dauer desselben. Ich brauchte mir nicht den Kopf zu zerbrechen, aus welcher Quelle es kam und wer so menschenfreundlich war. Mein Vormund stand vor mir und besah sich die Vögel, und ich brauchte nicht weit zu suchen.
»Und wie heißen die kleinen Burschen, Maam?« fragte er mit seiner sympathischen Stimme. »Haben sie Namen?«
»Ich kann für Miß Flite bejahen«, sagte ich, »denn sie versprach uns neulich, sie uns zu nennen. – Ada, weißt du noch?«
Ada erinnerte sich noch sehr gut.
»So, tat ich das?« sagte Miß Flite. »Halt! Wer ist dort an meiner Tür? Was horchen Sie an meiner Tür, Krook?«
Der Alte stieß die Türe auf und erschien, die Pelzmütze in der Hand, begleitet von seiner Katze, auf der Schwelle.
»Ich hab nicht gehorcht, Miß Flite. Ich wollte eben klopfen, aber Sie geben so scharf acht.«
»Jagen Sie Ihre Katze hinaus. Fort!« rief die alte Dame heftig aus.
»Bah, bah. Es besteht keine Gefahr, meine Herrschaften«, beruhigte sie Mr. Krook und sah uns alle der Reihe nach lange und scharf an. »Sie wird, wenn ich hier bin, auf die Vögel nicht losgehen – wenn ich sie nicht hetze.«
»Sie müssen meinen Hauswirt entschuldigen«, flüsterte Miß Flite mit würdevoller Miene. »Ver-, ganz ver-! Was wollen Sie denn, Krook? Sie sehen doch, daß ich Gesellschaft habe.«
»Hi«, sagte der Alte. »Sie wissen, ich bin der 'Kanzler'.«
»Nun, und? Was weiter?«
»Daß dem Kanzler«, kicherte der Alte, »ein Jarndyce unbekannt bleiben sollte, wäre seltsam, nicht wahr, Miß Flite? Darf ich mir nicht die Freiheit nehmen? Ihr Diener, Sir. Ich kenne 'Jarndyce kontra Jarndyce' fast so genau wie Sie selbst, Sir. Ich kannte den alten Squire Tom, Sir, aber soviel ich mich erinnern kann, habe ich Sie noch nie gesehen. Nicht einmal im Gerichtshof. Und ich bin doch unendlich oft im Lauf des Jahres dort.«
»Ich gehe nie hin«, entgegnete Jarndyce. »Ich würde lieber – ich weiß nicht wohin gehen.«
»Wirklich?« grinste Krook. »Sie sind schlecht auf meinen vornehmen und gelehrten Bruder zu sprechen, Sir; wenn das auch vielleicht bei einem Jarndyce ganz natürlich ist. Ein gebranntes Kind, Sir!... Was, Sie sehen sich die Vögel meiner Mieterin an, Mr. Jarndyce?« Er war ganz langsam immer weiter ins Zimmer hereingekommen und berührte jetzt meinen Vormund mit dem Ellbogen und sah ihm mit seinen bebrillten Augen scharf ins Gesicht.
»Es ist eine ihrer Wunderlichkeiten, daß sie niemals die Namen dieser Vögel nennt, wenn sie es vermeiden kann. Aber jeder einzelne hat seinen Namen!« Er sagte das leise flüsternd. »Soll ich sie herzählen, Flite?« fragte er dann laut, zwinkerte uns zu und deutete auf sie, während sie sich hastig abwendete und sich stellte, als kehre sie den Herd.
»Wenn Sie wollen«, gab sie hastig zur Antwort.
Der Alte warf uns wieder einen Blick zu, spähte zu den Käfigen hin und ging dann die Liste durch.
»Hoffnung, Freude, Jugend, Friede, Ruhe, Leben, Staub, Asche, Verschwendung, Mangel, Ruin, Verzweiflung, Wahnsinn, Tod, List, Torheit, Faselei, Perücke, Pergament, Plunder, Präzedenz, Jargon, blauer Dunst und Larifari – das ist die ganze Reihe. Alle von meinem vornehmen und gelehrten Bruder zusammen in einen Käfig gesperrt.«
»Ein böser Wind!« murmelte mein Vormund.
»Wenn mein vornehmer und gelehrter Bruder das Urteil fällt, sollen sie freigelassen werden«, sagte Krook und zwinkerte uns wieder zu. »Und dann«, setzte er flüsternd und zähnefletschend hinzu, »wenn das geschieht – es geschieht natürlich nie –, dann werden sie von den andern Vögeln, die niemals in Gefangenschaft gewesen sind, totgebissen.«
»Wenn jemals Ostwind war«, sagte mein Vormund und stellte sich, als sähe er zum Fenster hinaus nach der Wetterfahne, »so haben wir heute welchen.«
Es wurde uns außerordentlich schwer, wegzukommen. Nicht Miß Flite hielt uns auf – das kleine Geschöpf war so verständig in der Berücksichtigung der Wünsche andrer wie nur möglich –, Mr. Krook tat es. Er schien sich gar nicht von Mr. Jarndyce losmachen zu können. Wenn er an ihn angekettet gewesen wäre, hätte er sich kaum dichter an ihn halten können.
Er schlug uns vor, uns seinen Kanzleigerichtshof und das seltsame Durcheinander, das er enthielt, zu zeigen.
Während der ganzen Besichtigung, die er geflissentlich in die Länge zog, blieb er immer dicht neben Mr. Jarndyce und
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