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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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menschlichen Gesellschaft, nämlich, ihn leben zu lassen. Das sei nicht viel. Er habe wenig Bedürfnisse. Zeitungen, Konversation, Musik, Hammelbraten, Kaffee, eine hübsche Landschaft, Obst zur Zeit der Reife, ein paar Bogen Zeichenpapier, ein paar Gläser Rotwein – mehr verlange er nicht. Er sei ein reines Kind auf der Erde, aber er verlange nicht nach dem Monde. Er sage zur Welt: Gehet eure verschiedenen Wege in Frieden, traget rote Röcke, blaue Röcke, Linonärmel, stecket Federn hinter die Ohren, traget Schürzen; jaget nach Ruhm, nach Heiligkeit, nach Handel, nach was ihr wollt, nur – lasset Harold Skimpole leben.
    Das alles und noch viel mehr erzählte er uns nicht nur mit der größten Lebendigkeit und Selbstzufriedenheit, sondern auch mit einer gewissen munteren Offenheit, indem er von sich sprach, als ob er sich selbst gar nichts anginge und Skimpole eine dritte Person wäre; als ob er wohl wüßte, daß Skimpole seine Eigenheiten hätte, aber auch seine berechtigten Ansprüche, die Sache der Menschheit wären und nicht übersehen werden dürften.
    Er war wirklich bezaubernd.
    Wenn ich schon damals etwas verwirrt wurde bei dem Bemühen, das, was er sagte, mit dem in Einklang zu bringen, was ich über die Pflichten und Verbindlichkeiten des Lebens dachte, so machte es mich erst recht konfus, daß ich nicht begreifen konnte, warum gerade er frei von ihnen sein sollte. Daß er frei von ihnen sei, bezweifelte ich keinen Augenblick; und er selbst war davon vollständig überzeugt.
    »Ich strebe nach nichts«, erklärte er sorglos. »Aus Besitz mache ich mir gar nichts. Hier ist meines Freundes Jarndyce vortreffliches Haus. Ich fühle mich ihm verbunden, daß er es besitzt. Ich kann eine Skizze davon machen und es beliebig verändern. Ich kann es in Musik setzen. Wenn ich hier bin, genieße ich das Gute davon und habe weder Beschwerden noch Kosten noch Verantwortlichkeit. Der Name meines Verwalters ist Jarndyce, und er kann mich nicht übervorteilen. Wir sprachen vorhin von Mrs. Jellyby. Sie ist eine Frau von klarem Blick, starkem Willen und großer Umsicht in allen geschäftlichen Details und kann sich mit wunderbarer Energie auf eine Sache werfen. Ich bedauere nicht im mindesten, daß ich mich eines starken Willens und der Beherrschung geschäftlicher Details nicht rühmen kann, um mich mit wunderbarer Energie auf eine Sache zu werfen. Ich kann die Dame ohne Neid bewundern. Ich kann mit der Sache sympathisieren, von ihr träumen. Ich kann mich ins Gras legen – bei schönem Wetter – und einen afrikanischen Fluß hinabschwimmen und alle Eingebornen, denen ich begegne, umarmen und das tiefe Schweigen empfinden und das undurchdringliche Dach üppig wuchernder tropischer Pflanzen so genau zeichnen, als ob ich dort wäre. Ich weiß nicht, ob mir das unmittelbar Nutzen bringt, aber es ist alles, was ich kann, und ich betreibe es gründlich. Um Himmels willen, wenn auch schon Harold Skimpole, ein vertrauensvolles Kind, bittet, euch, die Welt, die Gesamtheit der praktischen Leute mit Geschäftssinn, bittet, ihn leben und die menschliche Familie bewundern zu lassen, so seid doch gutherzig, so oder so, und laßt ihn sein Steckenpferd reiten.«
    Offenbar war Mr. Jarndyce dieser Beschwörung nachgekommen. Das bewies schon Mr. Skimpoles Stellung im Hause, ohne daß er uns darüber aufzuklären nötig gehabt hätte.
    »Nur ihr hochherzigen Menschen seid die einzigen, die ich beneide«, sagte Mr. Skimpole und wendete sich an uns, seine neuen Freunde. »Ich beneide euch um die Fähigkeit, das zu tun, was ihr tut. Darin möchte ich selbst schwelgen. Ich fühle keine sogenannte Dankbarkeit für euch. Es kommt mir fast vor, als ob ihr mir Dank schuldig wäret, weil ich euch Gelegenheit gebe, das Hochgefühl des Edelmutes zu genießen. Ich weiß, ihr habt es gern. Vielleicht bin ich bloß zu dem Zweck auf die Erde gekommen, um eure Glückseligkeit zu vergrößern, nur geboren, um euer Wohltäter zu sein, indem ich euch Gelegenheit gebe, mir in meinen kleinen Verlegenheiten beizustehen. Warum sollte ich meine Unfähigkeit in weltlichen Dingen beklagen, wenn sie solche unangenehmen Folgen hat? Ich beklage sie gar nicht.«
    Von allen scherzhaften Reden, die wohl scherzhaft klangen, von Mr. Skimpole aber in vollem Ernste gemeint waren, schien keine mehr nach Mr. Jarndyces Geschmack zu sein als diese. Ich fühlte mich später oft versucht, mich verwundert zu fragen, ob es wirklich an sich merkwürdig sei oder nur mir so

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