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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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unter seinen Klienten ein paar Mafia-Strohmänner sind, die Drogengeld in der Schweiz und in Norditalien waschen. Er behauptet, er habe davon nichts gewusst, es gibt keine Beweise und alles löst sich in Wohlgefallen auf.«
    »Und was macht der heute?«
    Ich grinse meinen Vater hämisch an und flüstere:
    »Stadtrat.«
    Adriano sieht mich ungläubig an.
    Entschuldigend hebe ich die Hände, schiebe den Einkaufswagen vor und lege alles aufs Band. Zehn Minuten später sitzen wir im Auto. Es sieht nach Regen aus.
    »Wir müssen noch einen Artikel schreiben. Das muss an die Öffentlichkeit.«
    »Nicht so.«
    Ich starte den Wagen.
    »Man kann es auch anders erzählen.«
    »Nämlich wie?«
    Mein Vater denkt nach. Die Antwort kommt, als wir fast vor seiner Haustür sind.
    »Wir holen ganz weit aus«, sagt er.
    Und schaut lächelnd aus dem Fenster.
     
    Wenige Tage darauf erschien der zweite Artikel.
    Wir hatten eine ganze Nacht darüber diskutiert, was wir schreiben, wie wir eine Geschichte aufzäumen wollten, die immer deutlicher und immer unsäglicher wurde.
    Am Ende war die Wahl auf Davide Mirri und die Semprini gefallen. Gegen das, was von der Anonima Cementi noch übrig war, waren Ermittlungen eingeleitet worden, und eine von Adrianos Quellen hatte uns wissen lassen, dass die Anklagen kurz bevorstanden. Der ideale Aufhänger für unsere Geschichte.
    Den grauen Faden, der in den Achtzigern seinen Ursprung hat und sich durch Teile der Finanz- und Wirtschaftswelt zog, rot färben. Die Mechanismen, Beweggründe und Kanäle, die Taktiken von Infiltration und Kannibalismus erklären, mit denen die Cosa Nostra es geschafft hatte, zuerst Gesellschafterin zu werden und sich dann nach kurzer Garzeit eine fette Scheibe der Realwirtschaft einzuverleiben.
    Von dort waren wir auf Marsigli und die Verbindungen zur Politik gekommen. Wir hatten den Ex-Bürgermeister von Palermo Prestileo und dann möglichst beiläufig die seltsamen Zufälle hinsichtlich Cèrcasis Partei ins Spiel gebracht.
    Es hatte zwei ganze Tage gebraucht, alles in eine druckreife Form zu bringen.
    »Selbst wenn sie wollten, könnten sie das Problem nicht lösen.«
    Als Adriano das gesagt hatte, war es mitten in der Nacht, er hatte schokoladenverschmierte Finger und sah aus wie ein kleiner Junge, der sich höllisch amüsiert und keine Angst hat, sich erwischen zu lassen.
    Als ich nicht begriff, was er meinte, erklärte er es mir in demselben Ton, mit dem er mir früher irgendeine komplizierte Hausaufgabe einbläute.
    »Ich meine das Geld. Früher war sonnenklar, welches sauber und welches schmutzig war. Setzte man sich einen Schuss, wusste man, dass man die Mafia finanzierte. Beauftragte man gewisse Firmen, wusste man, dass man die Mafia beschäftigte. Eröffnete man ein Geschäft und zahlte Schutzgeld, konnte man sicher sein, dass das Geld an die Mafia ging. Heute ist alles anders. Womöglich bezahlt man sie auch mit einem neuen Anzug, den man sich beim Einkaufsbummel durch die Altstadt zulegt. Oder mit einer Banküberweisung. Beschlösse man aus irgendeinem Grund, jeden Trieb zu kappen, wären die Folgen so gewaltig, dass man einen Aufstand riskierte.«
    Dieser Gedankengang war in den Artikel eingeflossen. Genau so, wie er ihn dargelegt hatte. Wort für Wort. Eine Stunde später lag ich im Bett.
    Den folgenden Tag hatte ich damit zugebracht, meinen Kopf freizukriegen.
    Ich war spät aufgewacht und laufen gegangen. Dann hatte ich die Wohnung geputzt und in einem grimmigen Anfall von Aktionismus sämtliche Wohnzimmermöbel verrückt, um auch noch das letzte Staubkorn zu erwischen. Gegen Abend war ich meinen Jugendroman Kapitel für Kapitel durchgegangen und hatte beschlossen, ihn »Das Land der vergessenen Geschichten« zu nennen.
    Er passte perfekt zu dem Chaos, in dem ich mich befand.
    Abends war ich früh zu Bett gegangen und fand keinen Schlaf. Noch ehe ich das Licht gelöscht hatte, überfiel mich der Gedanke an Elena.
    Ich stellte mir vor, wie sie mit Ferrarini redete, an einem ähnlichen Herbsttag wie dem meines Besuches. Oder wie sie zu mir und Giulia nach Hause kam und ihre Tochter auf dem Sofa in die Arme nahm. Wie sie sie ins Bett brachte und ihr Geschichten von Zauberern und guten Geistern erzählte, die ich in mehr als einem Roman verwurstet habe. Wie sie sich neben mich legt, mich küsst, ihre Zunge schmeckt nach Zahnpasta, und schweigend im Dunkeln liegt, endlich frei, ihre Angst zu zeigen, das Grauen herauszulassen, das ihr den Atem abschnürte.
    Noch

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