Blinder Passagier
Rechtfertigung genug, dass sie Jos Leben und ihr eigenes gerettet hat?«
»Ich glaube, es ist mehr ihre Einstellung, Doc. Sie ist so - na ja, du weißt schon. Immer sofort bereit, vorzupreschen und zu kämpfen. Das merkt man an allem, was sie tut. Deswegen ist sie auch so verdammt gut. Aber es kann zu einem Riesenproblem werden, wenn sie außer Kontrolle gerät.«
»Willst du nicht einsteigen, damit du nicht erfrierst?«
»Ich fahre dir nach, bis du zu Hause bist, dann hab ich noch was zu erledigen. Lucy ist doch bei dir, oder?«
»Ja.«
»Sonst würde ich dich nicht allein lassen, solange dieser Idiot noch frei herumläuft.«
»Was soll ich wegen Lucy unternehmen?«, fragte ich leise.
Ich wusste es nicht mehr. Mir kam es vor, als wäre meine Nichte außerhalb meiner Reichweite. Manchmal war ich mir nicht einmal mehr sicher, dass sie mich noch liebte.
»Es geht um Benton«, sagte Marino. »Klar, sie findet das Leben im Allgemeinen beschissen und ihr platzt regelmäßig der Kragen. Vielleicht solltest du ihr seinen Autopsiebericht zeigen, sie damit konfrontieren, es aus ihr rausholen, bevor sie sich ihr eigenes Grab schaufelt.«
»Das werde ich niemals tun«, sagte ich und spürte den alten Schmerz, aber nicht mehr so intensiv.
»Himmel, es ist kalt. Und wir haben fast Vollmond, was mir im Augenblick gar nicht recht ist.«
»Vollmond heißt nur, dass wir ihn besser sehen können, wenn er es wieder versucht«, sagte ich.
»Soll ich dir nachfahren?«
»Nein, ist schon in Ordnung.«
»Ruf mich an, wenn Lucy aus irgendeinem Grund nicht da ist.
Du wirst auf keinen Fall allein bleiben.«
Ich fühlte mich wie Rose, als ich nach Hause fuhr. Ich wusste genau, was sie meinte, wenn sie davon sprach, Geisel der Angst, des Alters, der Trauer, von irgendjemandem oder irgendetwas zu sein. Ich war schon fast in meinem Viertel, als ich beschloss, umzukehren und zur West Broadway Street zu fahren, wo ich gelegentlich Pleasant Hardware aufsuchte. Es war ein alteingesessenes Geschäft, das im Lauf der Jahre expandiert hatte und mehr als die üblichen Werkzeuge und Gartengeräte auf Lager hatte.
Ich war immer nach sieben Uhr abends dort gewesen, wenn viele Männer von der Arbeit kamen und durch die Gänge wanderten wie kleine Jungen in einem Spielzeugladen. Der Parkplatz war gut besetzt mit Kleinwagen, Pickups und Kombis, und ich hastete an einem Ausverkauf von Gartenmöbeln und Auslaufmodellen von Elektrogeräten vorbei. Gleich hinter dem Eingang standen Sonderangebote von Blumenzwiebeln und eine Pyramide von Eimern mit blauer und weißer Wandfarbe.
Ich wusste nicht genau, nach was für einem Werkzeug ich suchte, aber ich vermutete, dass Bray mit einem Hammer oder einem Pickel umgebracht worden war. Ich hielt die Augen offen und ging die Gänge entlang, betrachtete die Regale mit Nägeln, Muttern, Haltern, Schrauben, Haken, Scharnieren, Haspen und Schnappriegeln. Ich schlenderte an hunderten von Metern ordentlich aufgerollter Seile und Schnüre vorbei, an Isolierband und Abdichtmaterial und an so gut wie allem, was man zum Klempnern brauchte. Ich sah nichts, was in Frage gekommen wäre, auch nicht in der großen Abteilung für Stangen, Brecheisen und Hämmer.
Auch die Rohre brachten mich nicht weiter, weil die Gewinde entweder nicht dick oder nicht großflächig genug waren, um das merkwürdig gestreifte Muster auf Brays Matratze hinterlassen zu haben. Auch Werkzeuge zum Reifenwechseln waren eine Fehlanzeige. Ich war ziemlich entmutigt, als ich in die Maurerabteilung kam und ein Werkzeug entdeckte, das an einem Brett hing. Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss und mein Herz schneller schlug.
Es sah aus wie ein schwarzer eiserner Pickel mit einem gewundenen Griff, der an eine dicke große Spiralfeder erinnerte. Ich ging hin und nahm ihn in die Hand. Er war schwer. Ein Ende war spitz, das andere geformt wie ein Meißel. Auf dem Preisschild stand, dass es sich um eine spezielle Art Maurerhammer handelte. Er kostete sechs Dollar und fünfundneunzig Cents.
Der junge Mann, der den Preis eintippte, hatte keine Ahnung, wozu diese Art Maurerhammer diente, und wunderte sich, dass der Laden so etwas überhaupt führte.
»Gibt es hier jemanden, der mir das Werkzeug erklären kann?«, fragte ich.
Er griff zum Telefon und bat die stellvertretende Geschäftsführerin namens Julie zur Kasse zu kommen. Sie war sofort da und wirkte viel zu proper und gut gekleidet, um sich mit Werkzeugen auszukennen.
»Man benutzt es
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