Bloss kein Kind
werde“
Als meine Schwester Michaela ihr Kind bekam, da war ich 17, habe ich mir überlegt: wie wäre es, wenn das jetzt dein Bauch wäre? Als dann die Frauen meiner zwei Brüder ihre Kinder bekommen haben, war das auch wieder eine merkwürdige Vorstellung für mich. Ich war zwar gern und viel mit meinen Nichten und meinem Neffen zusammen, hab das auch sehr genossen, habe das aber für mich immer so abgehakt, dass „das“ für mich nicht in Frage kommt.
In meiner Ausbildung zur Krankenschwester gab es ein Erlebnis, das mich dann sehr in diesem Entschluss bestärkt hat. Ich war 18 und in der Frauenklinik auf einer Station eingesetzt, wo Frauen nach Geburten lagen, die nicht “normal” verlaufen waren. Zangengeburten, Kaiserschnitte usw. Da habe ich zwei Frauen nach Kaiserschnitten betreut. Und damals, vor zwanzig Jahren war das anders als heute, die sind nicht am zweiten Tag aufgestanden und haben dadurch besser abhusten können, sondern die lagen in einem Halb-Intensivbett, hatten furchtbare Schmerzen beim Abhusten, hatten kaum Kraft, ihr Kind zu nehmen und ich habe gedacht: das muss das Schlimmste sein, ein Kind mit Kaiserschnitt zu kriegen. Die Frauen mit Dammrissen musste ich dann auch oft mit Kamillenlösung spülen und das war nicht gerade angenehm, als Achtzehnjährige, eine Frau auf den Schieber zu setzen, sich diesen Gerüchen und dem Anblick rasierter Vulven auszusetzen.Das hat alles dazu beigetragen, meinen Entschluss gegen Kinder zu festigen.
In dieser Zeit war es der Wunsch einer jeden Schwersternschülerin, einmal bei einer Geburt dabei sein zu dürfen. Und das hat mich damals schon so ein bisschen erstaunt, dass ich diesen Wunsch nicht hatte. Alle hatten dann schon eine Geburt gesehen und die Schwestern haben mich immer wieder gefragt, ob ich nicht mit in den Kreissaal will, aber ich habe immer gesagt: nee. Und irgendwann brauchte ich mal eine Unterschrift von einer Ärztin und die war gerade im Kreissaal. Ich musste also in den Kreissaal. Da lag eine Erstgebärende in der 12. oder 13. Stunde und die Frau hatte nichts mehr mit einer glücklichen werdenden Mutter gemein, die sah einfach nur schrecklich aus. Die sympathische Ärztin hat mich dann gleich zu sich gewunken und gemeint: jetzt kannst du es endlich mal sehen, jetzt geht’s gleich los, wir sind in der Eröffnungsphase (Austreibungsphase?). Ich sehe heute noch die Frau vor mir und wie sich das Köpfchen da durchpresst und diese Schamlippen, die zu bersten drohen, das war für mich so ein schrecklicher Anblick… Das hatte nichts mit dem zu tun, was manche hinterher beschreiben, die eine Geburt im Film gesehen haben und schwärmen: oh, welch Wunder und wie schön - ich hab immer nur gedacht: das muss schrecklich sein! Und jetzt war also das Köpfchen geschafft und man hatte den Eindruck, jetzt kann die Frau nicht mehr, aber da mussten ja noch die Schultern durch. Bis dahin wusste ich nicht, dass das noch mal so eine Belastung sein würde. Und das war dann noch mal so richtig schlimm, diese zweite Wehe, als dann das Kind rauskam, das überhaupt keine Ähnlichkeit hatte mit diesen süßen Babys, wo man sofort Lust hat, sie an sich zu pressen, das war so ein schleimiges, mit gelber Schmiere bedecktes Bündel, was ich überhaupt nicht hätte anfassen wollen. Die blaue Nabelschnur, das alles war für mich nur negativ. Ich erinnere mich zwar, dass ich auch ein Gefühl hatte von: Wahnsinn, irgendwie ist das schon ein Wunder, dass es das gibt, aber auch eine Distanz im Sinne von: toll, dass ich das nicht bin, dass mir das nicht passieren muss.
Als ich dann aus dem Kreissaal raus bin, musste ich über einen Flur, auf dem mehrere Kreissbetten mit Frauen standen, die zwischen ihren Beinen eine Metallschüssel hatten und auf die Nachgeburt gewartet haben. Bei der Einen oder Anderen lag schon so etwas Undefinierbares drin und das war für mich wie so ein Horror. Als ich aus der Station raus war, habe ich gedacht: Nie in deinem Leben wirst du da liegen!
Mir war in dem Moment glasklar, dass ich nicht zu diesen jämmerlichen Gestalten gehören wollte, die da so ein schleimiges blaues Bündel gebären würden. Die Schwestern auf meiner Station haben zwar gefragt: war’s nicht schön? Und ich hab gesagt: nö, hab mich aber schon damals nicht getraut, meine Gefühle ehrlich zu äußern. Da habe ich das erste Mal so eine Art Stigmatisierung empfunden.
Eine zeitlang habe ich mich immer wieder gefragt: wie kann unsere Mutter fünf
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