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Bluescreen

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Titel: Bluescreen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mark; Vennemann Greif
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Fabriken im Norden erst während und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg aufgehoben. Die grausamste Pointe wartete allerdings noch auf die Neuankömmlinge, die man in Gettos in den am wenigsten begehrten Teilen der alten Industriestädte abgeschoben hatte und die davon träumten, eines Tages zur Mittelklasse in den Vororten zu gehören: Ab ungefähr 1964, dem Jahr also, in dem die Bürgerrechtsbewegung mit dem Civil Rights Act ihren Durchbruch erzielte, wurden auch sie zu Opfern der rasanten Deindustrialisierung und den damit verbundenen Arbeitsplatzverlusten, welche die USA in den sechziger und siebziger Jahren erfassten.
    Als die Jobs verschwanden und der Traum vom Eigentum und von einem stabilen Dasein in der Mittelklasse für viele zerplatzte, war der Rassismus immer noch da. Arbeiterviertel (einschließlich der ersten, ab den fünfziger Jahren entstandenen neuen Vororte, die nun ebenfalls von den Problemen der Innenstädte erfasst wurden), in denen zuvor Angehörige verschiedener Rassen gewohnt hatten, erlebten auch weiterhin die sogenannte »white flight«, im Zuge derer alle weißen Arbeiter, häufig selbst Iren, Italiener, Polen oder Angehörige anderer ethnisch markierterBevölkerungsgruppen, die es sich leisten konnten, in rein weiße Vororte abwanderten. Mit ihnen gingen einige Afroamerikaner, die es unter den günstigen Bedingungen Mitte des 20. Jahrhunderts geschafft hatten, die große amerikanische Erzählung von der Aufwärtsmobilität zu realisieren und in die Mittelklasse aufzusteigen. Eine andere schwarze Mittelklasse bildete sich um die wenigen starken Institutionen, in denen das Ethos der Affirmative-Action-Programme sich ausbreitete und die bereit waren, den Afroamerikanern zu helfen: Universitäten, Berufsschulen, Regierungsbehörden, bisweilen sogar die Wall Street, um nur einige zu nennen.
    Wie sich herausstellen sollte, wirkten in der neuen Dienstleistungsökonomie Selektionsmechanismen, die vormalige Industriearbeiter, insbesondere einkommensschwache schwarze Männer, stark benachteiligten. In der Industrie, wo Kraft und Zähigkeit gefragt waren, hatte man sie irgendwann akzeptiert; im Service-Bereich galten sie jedoch als feindselig und Furcht einflößend. Die am besten bezahlten Jobs in diesem Sektor belohnen Fügsamkeit, die Fähigkeit, ein Gefühl der Intimität herzustellen, weißes Ostküstenenglisch und zumindest ein Minimum an sichtbarem Stolz und Unabhängigkeit. Das genaue Gegenteil also jener Kultur der Härte, die gerade schwarze Männer seit der Zeit der Sklavenbefreiung entwickelt hatten, um der Bedrohung durch die Weißen sowie Forderungen nach einer neuerlichen Trennung der Rassen und nach einem höflichen, ja weiterhin unterwürfigen Auftreten zu begegnen. Dazu kam, dass die Firmen des Dienstleistungssektors ebenfalls aus den zunehmend geisterhaften Innenstädten in die Vororte und Trabantensiedlungen abwanderten, die außerhalb der städtischenNahverkehrsnetze lagen und daher für die vormals der Mittelklasse angehörenden Schwarzen in den Zentren kaum erreichbar waren. (Natürlich erging es den weißen Arbeitern in diesen Jahren wenig besser, auch ihre Hoffnungen wurden demoliert: Der Großteil der Jobs, die in der Industrie oder im Dienstleistungsbereich verloren gingen, wurde in Niedriglohnländer verlagert. In den letzten Jahren hat das Kapital überdies einige große Städte rekolonisiert, so dass selbst die armen Bevölkerungsschichten die Innenstädte verließen und sich in einem Ring von zunehmend heruntergekommenen Vororten ansiedelten, was zu dem neuen amerikanischen Phänomen der Suburbanisierung der Armut geführt hat.)
    Die Unruhen in den schwarzen Innenstädten (also den älteren, ökonomisch weniger attraktiven Vierteln, die die Weißen verlassen hatten) begannen bereits Mitte der Sechziger. In den nächsten zehn Jahren wurden die von den Ausschreitungen betroffenen Gegenden nicht wiederaufgebaut, niemand investierte in die dortige Infrastruktur. Ohne die zahlungskräftige Mittelklasse brachen Steuereinnahmen weg, die notwendig gewesen wären, um den Niedergang der Innenstädte zu verhindern; und auch in der Folgezeit waren die »Gettos« für keine Regierung ein vorrangiges Problem. Ein neues Jim-Crow-Regime wurde im Norden allerdings erst unter den Regierungen Reagan und Bush errichtet, die einen Krieg gegen die Armen führten, den sie offiziell als »Krieg gegen Drogen« verkauften, eine Politik, die in weiten Teilen auch unter Bill Clinton fortgeführt

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