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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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Prolog
    S ie wurde in die Dunkelheit gestoßen, polterte die Stufen hinunter und schlug hart auf dem Boden auf. Schmerzhaft durchzuckte es ihren Arm bis zu der Schulter und trieb ihr Tränen in die Augen. Das Scheppern der Gittertür hinter ihr fuhr ihr in die Knochen. Sie wimmerte. Doch laut zu weinen, traute sie sich nicht. Was, wenn der Schwarze Mann wiederkommen würde? Wenn er sie prügeln würde, falls sie auch nur einen Ton von sich gäbe? Wie vorhin, als er sie hierhergeschleift hatte.
    Sie krümmte sich zusammen und pustete sich in die aufgeschürften Hände, die brannten. Ein feuchter Film aus Schmutz bedeckte den Steinboden, gegen den sie ihre Wange drückte. Es stank nach nassem Fell und Exkrementen. Darunter mischte sich ein schwerer, fauliger Geruch, der sie daran erinnerte, wie ihr Opa im Bad eine tote Maus entdeckt hatte. Mit zwei Fingern hatte er das Tier am Schwanz aufgehoben und hinausgetragen, der Geruch haftete aber noch lange in den Räumen. Der Gestank hier verseuchte die Luft, er klebte ihr in der Nase und im Rachen, als hätte sie diese tote Maus verschluckt.

    Opa, wo war bloß ihr Opa? Warum holte er sie nicht von diesem schrecklichen Ort ab?
    Mit aller Kraft beschwor sie sein Bild herauf: Wie sie beide unter einer Fleece-Decke auf der Hollywood-Schaukel kuschelten und er ihr von den Monstern der Nacht erzählte. Sie hatte gespannt gelauscht und fürchtete sich ein wenig vor den Wesen, die den Menschen die Energie aussaugten oder im Körper eines Tieres umherwandelten. Sie stellte sich ihre Fratzen vor, die blutunterlaufenen Augen und die messerscharfen Klauen. Doch das Monster, das sie hierhergebracht hatte, besaß keine Fratze und keine Klauen. Es sah sogar nett aus, mit dem schwarz-grauen Fuchs an seiner Seite, der herumtollte und sie zum Spielen einlud. Ehe das Monster sie in das Auto zerrte.
    Bei dem Gedanken daran klopfte ihr Herz wie ein Pingpong-Ball. Erst nach einer Weile wagte sie, die Augen zu öffnen. Durch die Gittertür am Kopf der Treppe, die das Verlies von einem höher gelegenen Kellerraum abriegelte, fiel schwaches Licht herein, vermochte aber nicht alle Ecken des Kerkers zu beleuchten. Was sie jedoch erspähen konnte, ließ sie für einen Moment innehalten. An der Wand erstreckten sich unzählige Käfige: große, kleine, längliche und runde. Augen funkelten ihr aus der Dunkelheit entgegen. Hinter den Gittern zeichneten sich Silhouetten aller möglichen Tiere ab, von einem Meerschweinchen bis hin zu einem Dachs. Wie im Zooladen eines Wahnsinnigen.
    Ein Winseln lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich. In
einem der Käfige kauerte ein Welpe. Der Kleine hatte den Stummelschwanz eingezogen, hielt die Schlappohren an den Kopf gedrückt und drängte sich zitternd an den Maschendraht.
    Sie streckte die Hand nach ihm aus und lockte das Tier. Es wimmerte, fast genauso, wie sie kurz zuvor gewimmert hatte. Speichel tropfte von seinem Mäulchen herunter und klebte schäumend an seinem Fell.
    Tapsi, so nannte sie ihn. Vielleicht würde der Opa ihr erlauben, das Hündchen zu behalten, wenn er kam, um sie und den Kleinen zu retten? Er musste kommen. Unbedingt!
    Sie robbte zu dem Welpen, ohne aufzuhören, ihn bei seinem neuen Namen zu rufen. Noch ein wenig, und sie würde die Finger durch den Maschendraht stecken und sein zerzaustes Fell streicheln können.
    Â»Zurück!«, peitschte ein Ruf auf sie ein. Jemand packte sie und zog sie vom Käfig weg. Sie schrie und schlug gegen die fremden Arme, die sich um sie geschlossen hatten. Ein schmerzerfüllter Ausruf ertönte, als ihre Fingernägel sich dem Angreifer in die Haut bohrten. Der Griff lockerte sich. Sie wand sich heraus, hechtete nach vorn und verhakte ihre Finger im Draht.
    Der Welpe verwandelte sich in eine wilde Bestie. Er warf sich ihr mit einem Gebrüll entgegen, der keinem Kläffen oder Jaulen glich und ihr Furcht einjagte. Sie zuckte zurück. Die kleinen Zähne schlugen gegen das Metall, wo ihre Hand gewesen war.
    Rasch krabbelte sie fort, bis sie eine Wand im Rücken
spürte. Die Dunkelheit um sie herum schien zu pochen wie ihr Herz, das ihr in der Brust zu platzen drohte.
    Bis zur Besinnungslosigkeit warf sich der Hund gegen das Käfiggitter, ohne aufzuhören, die schrecklichen Laute von sich zu geben. Das Toben erweckte auch andere Wesen aus ihrem Delirium. Ein Kreischen, Pfeifen, Bellen und Fauchen ertönte von allen

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