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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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passieren könnte. Ich kann es spüren, es sticht in ihrer Brust. Aber sie will nicht, dass wir es merken.«
    »Und erst recht nicht, dass sie es selbst mitbekommt.«
    Canini jagte vorbei, und Niccolò setzte ihr ohne zu zögern nach. Giacomo sah sich unruhig um. Auf diesem Gelände war also ein Wolfsrudel gesichtet worden. Viel zu nah an menschlichen Behausungen. Doch der Winter dauerte bereits lange an, und er war hart wie seit unzähligen Jahren nicht mehr. Die Wölfe würden nirgendwo Beute finden, das ließ sie verzweifelt werden. Aber so sehr, dass sie sich den Menschen näherten? Giacomo trottete hinter Isabella her und hob abermals die Schnauze. Endlich roch er etwas! Ein Pastagericht, das in einer der Schlossküchen zubereitetwurde. Ein Klassiker der Küche Norditaliens, Ragù alla bolognese mit Geflügelleber und einem ordentlichen Schuss Sahne. Köstlich! Aber immer noch keine Spur von Wölfen. Stattdessen fanden sich nun immer mehr Eiskristalle in der Luft, die der Wind ihm ins Gesicht peitschte. In jeden Zwischenraum seines Fells drangen sie ein. Unbarmherzig legten sie sich nicht nur auf die kleine Gruppe, sondern füllten auch die Ritzen im Mauerwerk des Schlosses. Der Piemonteser Winter nahm es immer mehr in seinen Besitz.
    Schnell flohen sie ins Schlossinnere und richteten sich in ihren kargen Zimmern ein, die früher dem Gesinde zugewiesen waren. Nur eine Notbesetzung an Personal weilte in Stupinigi, ein einziger Trakt war einigermaßen beheizt. Das Schloss wurde aufwendig umgebaut, überall waren Absperrbänder und Gerüste. Doch nun werkelte niemand. Der Palazzo hielt Winterschlaf, sein Atem kaum vernehmbar. Giacomo rollte sich in einer Ecke zusammen, die zwar von Spinnweben überzogen war, dafür aber nahe der Küche lag. Also strategisch hervorragend. Er würde sicher nur etwas warten müssen, solange konnte er hier schlummern. Und wieder von Mocetta träumen.
    »Wer kommt mit auf einen ersten Rundgang?«, hörte er Isabella rufen. Wieder war da diese Angst in ihrer sonst so heiteren Stimme, als habe man in eine köstliche Pannacotta eine Prise zu viel Salz gegeben. Giacomo rollte sich weiter zusammen, wie ein Igel bei Gefahr. Hoffentlich ging dies alles schnell vorbei, und sie konnten in ihr Dorf in der Langhe zurück. Mehr wollte er gar nicht.
    »Kommst du?« Es war Niccolò.
    »Ich schlafe schon.«
    »Wir wollen gehen!«
    »Wunderbar. Ich halte hier die Stellung.«
    »Steh schon auf! Isabella hätte dich gern dabei.« Er stupsteihn mit der Schnauze an. »Ohne dich geht sie bestimmt nicht raus.«
    Giacomo blickte auf. Das kleine Windspiel leckte sich nervös an der Brust. In einiger Entfernung stand Canini, die Rute eingeklemmt. Die beiden hatten Angst und wollten ihn dabeihaben. Sie wussten um die Gefahr, die von Wölfen ausging. Einem ausgehungerten, verzweifelten Rudel.
    Isabella hielt bereits ungeduldig die Tür auf.
    »Aber nur für Isabella«, sagte Giacomo und stemmte sich in die Höhe. Er spürte jeden seiner Knochen, die schon viel zu lange nicht mehr mit Barolo geölt worden waren.
    Hinter dem Schloss erstreckte sich ein kleines Wäldchen. Giacomo lief voran. Er wollte nicht, dass Isabella in Gefahr geriet. Und erst recht nicht diese beiden dummen, übermütigen Jungspunde. Im Gegensatz zu ihm hatten sie noch so viel vor sich.
    Isabella blieb plötzlich stehen und setzte eine leere abgeschnittene Plastikflasche an den Mund. Dann begann sie zu heulen. Es klang so echt, dass Giacomo selbst in diesem Frost noch ein kalter Schauer durchfuhr. Es war, als hause ein Wolf in ihrem Leib, ein großes, furchteinflößendes Tier.
    Doch es kam keine Antwort, und so schritten sie weiter.
    Giacomo schärfte seine Sinne wie der Metzger seine Messer, spitzte die Ohren, sog die Düfte tief in seine gewaltige Nase ein, die in ihrer dunklen Verwarztheit an eine reife Albatrüffel erinnerte, und stach seinen Blick in Richtung jedes Schattens, der zwischen den vom Winter abgenagten Baumstämmen erschien. Kein Anzeichen von Wölfen. Doch das bedeutete nichts. Um die Grauröcke zu finden, mussten sie tiefer in das Waldstück eindringen. Und weniger Lärm verursachen.
    Aber die Nacht senkte sich schon über den Schlosspark, und Isabella sammelte ihre Hunde, um sich zurück ins Warme zu begeben.
    »Morgen früh, mit neuer Kraft«, sagte sie. »Die Wölfe werden uns schon nicht weglaufen, oder?«
    Giacomo sah sich unruhig um.
     
    Im Turiner Duomo di San Giovanni geschah in diesem Augenblick etwas, das für

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